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Archiv-Artikel

Vor dem Abgang des Rabauken

Nach der Ablösung von VW-Konzernchef Bernd Pischetsrieder steht jetzt offenbar auch VW-Markenchef Wolfgang Bernhard vor dem Rückzug aus dem Autokonzern. Die anstehende Personalrochade erinnert viele an alte, verlustreiche Zeiten der Autobauer

VON KAI SCHÖNEBERG

Von einem „richtig scharfen Teil“ sprach Wolfgang Bernhard, als er vor wenigen Monaten eine quietschgrüne Coupé-Studie namens „Iroc“ in Berlin präsentierte. Offenbar wird der VW-Markenchef aber nicht mehr an Bord sein, wenn das „coole Auto“, ein Nachfolger des 70er Jahre-Klassikers Scirocco, 2008 auf den Markt geht. Der einst als Sanierer gefeierte Bernhard erwäge den Rücktritt, meldete gestern das Handelsblatt unter Berufung auf Unternehmenskreise. Bis zur Aufsichtsratssitzung am Freitag „wird erwartet, dass er sich erklärt“, sagte „eine mit der Situation bei VW vertraute Person“ zu Reuters. Offiziell wollte VW sich gestern nicht dazu äußern.

Dennoch verdichten sich mit den Meldungen die Spekulationen, die bereits in der vergangenen Woche nach dem angekündigten Führungswechsel bei Europas größtem Autokonzern die Runde gemacht hatten. Wenn der von Aufsichtsratschef Ferdinand Piech geschasste VW-Boss Bernd Pischetsrieder gehen müsse, sei auch kein Platz mehr für seinen Kronprinzen Bernhard. Der designierte Vorstandschef Martin Winterkorn kann offenbar nicht gut mit Bernhard. Bislang hatten der Audi- und der VW-Chef auf Augenhöhe agiert, ob Bernhard den Neuen in Wolfsburg als Chef akzeptiert, ist derzeit unklar. Noch versucht die VW-Spitze offenbar, Bernhard von einer Rückkehr zu seinem einstigen Arbeitgeber Daimlerchrysler abzuhalten.

Klar ist hingegen, dass IG Metall und VW-Betriebsräte den Abgang des oft allzu forschen 46-Jährigen feiern würden. Wegen seinen Drohungen, Jobs abzubauen und Standorte zu verlagern, sagen sie Bernhard „menschliche Schwächen“ nach. „Er ist ein Mann fürs Grobe, ein Rabauke“, heißt es aus dem Umfeld eines Volkswagen-Aufsichtsrats. Bernhard hatte seinen Posten als Chef der VW-Markengruppe im Mai 2005 angetreten.

Seitdem sind die derzeit etwa 95.000 Mitarbeiter in den sechs westdeutschen Werken nicht mehr aus dem Zittern herausgekommen – trotz vertraglich zugesicherter Jobgarantie bis 2011. Er wolle die Produktivität binnen drei Jahren um bis zu 30 Prozent erhöhen, hatte Bernhard angekündigt. Teile der Komponentenfertigung, „die weit von der Wettbewerbsfähigkeit sind“, müssten „Schließungen ins Auge fassen“ – tausende Jobs schienen bedroht. Das war für viele VW-Mitarbeiter wie ein Schlag ins Gesicht. Dabei war auch ihnen klar, dass die Kernmarke Volkswagen Millionenverluste schreibt. Vollends über Kreuz geworfen mit den VW-Malochern hat sich Bernhard aber mit der Drohung, Teile der Golf-Produktion aus dem Wolfsburger Stammwerk abzuziehen.

„Der Golf gehört zu Wolfsburg wie der Eiffelturm zu Paris“, hatte Niedersachsens IG Metallchef Hartmut Meine entgegnet – und in den Tarifverhandlungen vor einigen Wochen Produktionszusagen für die Werke in Wolfsburg, Hannover, Emden, Braunschweig, Salzgitter und Kassel durchgedrückt. Mit dem Zugeständnis, dass die VW-Mitarbeiter künftig bis zu 34 Stunden ohne Lohnausgleich arbeiten müssen. Bislang waren es 28,8 Stunden. „Wir sind bei den Lohnkosten auf dem Niveau von Audi angekommen“, sagte VW-Arbeitsdirektor Horst Neumann zufrieden.

Böse Zungen aus dem Arbeitgeberlager sagen, mit den bevorstehenden Personalrochaden gehe VW wieder zurück zu den Zeiten des „Systems VW“, als der von Betriebsräten, Gewerkschaften und SPD regierte Konzern mehr Skandale als Autos produzierte und obendrein in die roten Zahlen schlitterte. Strippenzieher Piech habe mit seinem Coup bei VW ein “magisches Viereck“ installiert, unkte die FAZ: Neben dem „Alten“ gehörten dazu sein künftiger Konzernlenker Winterkorn, IG Metallchef Jürgen Peters und Betriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh.

Verlierer im Auto-Quartett ist ohne Zweifel Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), Aufsichtsratsmitglied und Pischetsrieder-Freund, der sich beim Revirement „zwei blaue Augen“ geholt hat, wie man auf Arbeitnehmerseite weiß. Fest steht: Der Konzern baut weiter Stellen ab, wenn auch sozial verträglich. Seit 2003 hat VW rund 14.400 Beschäftigte in die Altersteilzeit geschickt. Zusammen mit den knapp 6.000 Aufhebungsverträgen ist damit das alte Ziel Pischetsrieders, 20.000 Jobs abzubauen, sogar übertroffen worden.