: Killing an Arab
TERRORGEFAHR Seit dem 11. September 2001 ist jeder, der einen arabischen Namen trägt, verdächtig. Don Quixote reichen Schnurrbart und dunkle Augen, um einen Terroristen zu erkennen
VON ALEM GRABOVAC
Don Quixote war es mal wieder zu langweilig geworden. Er war es überdrüssig, zum tausendsten Male in seinen Ritterromanen zu lesen, welche Abenteuer jener oder dieser Held glorreich gemeistert hatte. Nein, jetzt sollte er wieder an der Reihe sein! Der Feind war auch schon gefunden: die islamistischen Terroristen. Er, der große Don Quixote de la Mancha, würde endlich wieder in den Kampf für das Gute, Wahre und Schöne ziehen.
Erst mal musste er aber seinen Schildknappen Sancho Pansa dafür gewinnen. Eine neue Abenteuerreise mit seinem Herrn hatte Pansa nämlich zunächst strikt abgelehnt – nur allzu gut erinnerte er sich an all die Katastrophen der vorherigen Heldentaten. Don Quixote versuchte ihn mit dem Friedensnobelpreis zu ködern, der ihnen verliehen werden würde, sobald sie alle mohammedanischen Terroristen aufgespürt und getötet hätten. Auf den Friedensnobelpreis pfiff Sancho Pansa, aber als er hörte, dass man für diesen Preis eine Million Euro bekam, war auch er von ihrer Mission überzeugt, die Menschheit von den Übeln des Islams befreien zu müssen.
Das Hammelversteck
So kam es, dass Don Quixote auf seinem Motorrad Rosinante und Sancho Pansa auf dem Sozius sich auf den Weg in die große weite Welt begaben. Nach unzähligen haarsträubenden Abenteuern in ganz Europa erreichten sie nach zwei Monaten das Land der Teutonen.
Sancho Pansa hatte die Schnauze bereits gestrichen voll. Er war übermüdet und sein Magen knurrte. Auch Don Quixotes Laune war nicht die beste. Doch dann erblickte er plötzlich zwei große Schaf- und Hammelherden und wusste sofort: Hier war das ideale Versteck für Islamisten – hier würden sie sich vor dem nächsten Selbstmordattentat noch schön die Bäuche mit Hammelfleisch vollstopfen.
Er rückte seinen Helm zurecht, zog seine Knarre aus der Tasche und gab Vollgas. Er raste mitten in die Herde, erschoss etliche Schafe und forderte den Feind dazu auf, sich endlich zu zeigen. Die bayerischen Hirten und Viehzüchter, die in der Nähe waren, trauten ihren Augen nicht. Da fuhr ein durchgeknallter Typ zwischen ihren Schafen umher und metzelte diese nieder. Sie schmissen einige Steine auf Don Quixote, trafen ihn und er und sein Motorrad flogen im hohen Bogen in den Straßengraben.
Die bayerischen Hirten fluchten: „Du Saupreuß, du Elender. Dir hat man wohl ins Hirn geschissen, du wahnsinniger Volltrottel.“ Mit Fußtritten verjagten sie unseren ehrenwerten Ritter, während Sancho auf einem Hügel stand und Tag und Stunde verfluchte, da ihn das Schicksal mit Don Quixote zusammengeführt hatte.
Sancho Pansa war verzweifelt, wollte die Mission schon aufgeben, doch sein Herr richtete ihn wieder auf, indem er ihm pausenlos von all den unvorstellbar schmackhaften Speisen erzählte, die man ihnen bei der Nobelpreiszeremonie in Stockholm auftischen würde. Und mit dem vielen Geld, dachte sich Sancho Pansa, könnte er sich auf seine alten Tage endlich auf einer fernen Karibikinsel zur Ruhe setzen.
Während sie auf der Suche nach den gefährlichen Attentätern umherirrten, hörten sie immer wieder von Berlin. Insbesondere der Stadtteil Kreuzberg, so hieß es, sei eine Hochburg der islamistischen Terroristen. Frohen Mutes, demnächst ein echtes Terrornest auszuheben, machten sie sich auf den Weg. Auf ihrer Reise kamen sie vielerorts an Windrädern vorbei, die Don Quixote mal wieder für gefährliche Riesen hielt. Sancho fragte sich, ob sein Herr an Demenz litt. Erinnerte er sich denn nicht an jene Windmühlen, gegen die er seinerzeit gekämpft hatte? Hatte er denn vergessen, dass jene Windmühlen bereits vor 400 Jahren keine Riesen waren? Nur unter größter Mühe gelang es Sancho Pansa, seinen Herren davon abzuhalten, sich erneut in einen sinnlosen Kampf mit diesen vermeintlichen Riesen zu begeben.
Als sie endlich das Kottbusser Tor erreichten, jubelte Don Quixote: „Sieh nur Sancho“, sagte er mit triumphierender Stimme, „überall Türken, Araber, Mohammedaner und Islamisten. Hier sind wir richtig, hier sitzt der Feind. Jetzt wird sich alles zum Guten wenden. Oh hütet euch, ihr Terroristen. Euer Ende ist gekommen. Der edle Ritter Don Quixote de la Mancha wird euch aufspüren und vernichten.“
Sofort erblickte Don Quixote in einem Kebabladen einen verdächtig aussehenden Mann: dunkler Schnauzbart und tiefschwarze Augen. Das musste ein Terrorist sein, der sich als Kebabverkäufer tarnte. „Das Warten hat ein Ende, mein lieber Freund Sancho. Jetzt heißt es mutig und kühn in die Schlacht zu ziehen.“ Nach diesen Worten ließ er Rosinantes Motor aufheulen, fuhr mit Kriegsgeschrei durch die Schaufensterscheibe des Imbisses, verwüstete die gesamte Einrichtung und schoss wild auf den Kebabverkäufer Mahmut, der mit seinem Kebabmesser die Kugeln des Don Quixote abwehrte. Im Getümmel schlugen sie sich Knarre und Messer aus den Händen. Sie kämpften mit den Fäusten weiter.
Plötzlich hielt Mahmut inne: „Scheiße, warte mal. Ich kenne dich. Du bist Don Quixote. Ich habe von deinen Heldentaten gelesen. Du bist ein guter Mensch. Warum schießt du auf mich?“ „Weil du ein islamistischer Terrorist bist“, erwiderte Don Quixote entschlossen. Mahmut lachte: „Du spinnst ja. Ich und ein Islamist? Niemals! Ich bin Mahmut, in Kreuzberg geboren, zur Schule gegangen und jetzt arbeite ich im Laden meines Onkels. Mit den Islamisten habe ich nichts zu tun.“ „Aber du bist ein Mohammedaner, ein Ungläubiger, ein Feind der Christenheit“, schrie Don Quixote.
Benengelis Manuskript
„Hey Don“, sagte Mahmut, „wer hat dir denn diesen Scheiß erzählt? Komm mal wieder runter von deinem Trip. Ich bin zwar Türke und glaube an Mohammed, aber deswegen bin ich noch lange kein Feind der Christenheit. Weißt du nicht mehr, dass es Sidi Hamet-Benengeli war, der deine Heldentaten aufgeschrieben hat? Im Don Quixote von Cervantes steht, dass du in Toledo auf ein arabisches Manuskript gestoßen bist, in dem deine Abenteuer geschildert werden. Du hast das Manuskript dann ins Spanische übersetzen lassen und seitdem hat es die ganze Welt erobert. Ohne Sidi Hamet-Benengeli wärst du also niemals berühmt geworden. Mann, lass dich umarmen, mein lieber Don Quixote. Wir sind Freunde. Und jetzt trinken wir erst mal einen Raki und essen ordentlich Kebab und Baklava. Dein Kumpel vor der Tür sieht schon ganz verhungert aus.“
Genau in dem Moment, als Don Quixote bereits glaubte, einen riesengroßen Fehler gemacht zu haben, stürmten plötzlich drei islamistische Terroristen mit Maschinengewehren durch die Küchentür in den Kebabimbiss und erschossen Don Quixote. Er war sofort tot. Sancho Pansa hatte sich retten können und floh in die U-Bahn. Er weinte fürchterlich um seinen Herrn, den großen Don Quixote de la Mancha, und schwor den bärtigen islamistischen Fundamentalisten ewige Rache.
■ Alem Grabovac, 36, ist Chefredakteur der Deutschland-taz