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Archiv-Artikel

UNTERM STRICH

Turner-Preis und Proteste: Die in Berlin lebende schottische Künstlerin Susan Philipsz hat den mit umgerechnet 30 000 Euro dotierten britischen Turner-Preis gewonnen. Erstmals wurde ein immaterielles Kunstwerk ausgezeichnet. Philipsz erhielt den Preis für ihre Klang-Installation eines schottischen Volksliedes, die sie unter drei Brücken ihrer Heimatstadt Glasgow angebracht hatte. Der prestigeträchtige Kunstpreis wurde ihr am Montagabend in der Londoner Tate Gallery von der Modedesignerin Miuccia Prada überreicht. Bei der Verleihung kam es zu lautstarken Protesten von Studierenden verschiedener Kunsthochschulen, so zum Beispiel dem Chelsea College und dem Central Saint Martin’s, wie der Guardian berichtete. Die Studierenden protestierten gegen Einsparmaßnahmen in den Kunsthochschulen. Sowohl die Preisgewinnerin als auch die Veranstalter bekundeten in ihren Reden Sympathie mit den Protestierenden. So sagte Philipsz: „Mein Herz ist draußen bei den Studenten, ich unterstütze sie wirklich.“ Vor ihrer Karriere als Künstlerin war sie selbst politisch aktiv gewesen. Für die Unterstützung der Gewinnerin und der Veranstalter sah man die Studenten sich, sehr britisch, bedanken. Ein Skandal blieb aus. Philipsz hat sich vor allem mit Klangkunst einen Namen gemacht, etwa indem sie moderne Pop-Songs in Supermärkten oder in Treppenhäusern sang. Die prämierte Klang-Installation arbeitete mit einem schottischen Klagelied aus dem 16. Jahrhundert, das von dem Tod eines Geliebten handelt. Es war unter verschiedenen Brücken der Stadt Glasgow eingespielt worden, an denen es häufiger zu Selbstmorden kommt. Als Preisträgerin ist Philipsz allerdings nicht unumstritten. Jasmine Maddock, Sprecherin der Künstlergruppe Stuckists, sagte: „Das ist keine Kunst, das ist Musik. Man vergibt doch auch den Mercury-Musikpreis nicht an Maler. Man sollte daher auch nicht den Turner-Preis an eine Sängerin vergeben.“ Die Künstlergruppe protestierte nach der Preisverleihung gegen die Wahl der Tate Gallery. Philipsz war nominiert worden für ihre Arbeitsweise, mit der eigenen Stimme „poetische Räume“ zu erzeugen. Außer ihr war auch die Gruppe Otolith, die vor allem mit Videos arbeitet, für die Auszeichnung nominiert. Mit dem Turner-Preis werden seit 1984 britische Künstler ausgezeichnet, die jünger als 50 Jahre sind. Preisträger sind unter anderem Damien Hirst, Mark Wallinger und Richard Wright. Wolfgang Tillmans hatte den Preis als erster Nichtbrite erhalten.