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Archiv-Artikel

Eine Aura der Männlichkeit

SPIELFILM „Im Namen des …“ zeigt das Drama des kräftigen, coolen Priesters Adam, der sich in einem abgelegenen Heim in Polen um Jugendliche kümmert. Adam ist schwul

Der Film bleibt bei seinen Protagonisten, ihrer Verzweiflung und Sehnsucht

VON CLAUDIA LENSSEN

„Laufen ist wie Beten“, bestimmt Adam (Andrzej Chyra), ein Jesuitenpater, und schickt einen widerspenstigen jugendlichen Sünder zur Buße auf eine lange Jogging-Tour. Der blonde Mann um vierzig strahlt eine Aura bedingungslos sicherer Männlichkeit aus, wenn er selbst einsame Runden zieht, die rüden Kids seines Heims beim Fußball mit Regeln konfrontiert oder sich bei einer Feier von der beschwipsten Frau des Heimleiters zum Tanzen animieren lässt.

Öfter als in der Soutane sieht man Adam, den frommen Mann im Zentrum von Malgorzata Szumowskas Film „Im Namen des …“, im karierten Arbeiterhemd; er ist einer, der zupackt und lenkt, sein eigenes kleines Reich in Schuss hält und die in den abgeschiedenen polnischen Landstrich verschickten Problem-Kids handfest mitversorgt. Selbst die Beichte, in diesem Mikrokosmos ein intimes Rollenspiel zwischen aufrichtiger Entlastung und prekärer Mitwisserschaft, geschieht beiläufig wie unter Kumpeln in einer Hofecke oder auf dem Laufkurs.

Malgorzata Szumowska und ihr Kameramann und Koautor Michal Englert tauchen die Bilder ihres Films in glühendes Sonnenlicht. Das Fluidum unter einem unendlichen Sommerhimmel scheint einen Kokon um die Männer, ältere wie jüngere, zu legen. Die Nähe, Gleichheit und Anziehung unter ihnen brodelt explosiv. Ist das ein Sommer der Entscheidung oder schon die Hölle? Die Anfechtung, die den kraftvollen Priester in die Passion stürzt, wird in der hyperrealistischen Bildsprache des Films zur biblischen Parabel über die Unmenschlichkeit des Gelübdes, das ihn zum Außenseiter stempelt.

Ewa (Maja Ostazewska), die einzige Frau des Films, die Adam in diesem verlorenen Paradies aus Langeweile zu verführen versucht, verschwindet schnell aus dem Drama. Lukasz (Mateusz Kosciukiewicz), ein schweigsamer junger Mann aus dem Dorf, ist es, der vorsichtig und schweigsam die Fürsorge des Priesters und dabei indirekt auch sein Begehren weckt. Bei den rauen Spielen der Jungs fängt sich Lukasz immer wieder Verletzungen ein, die Adam mit Gesten, die an das Neue Testament erinnern, zu lindern versucht. Todesmutig springt er mit den anderen in den See, obwohl er nicht schwimmen kann, und wird mit privatem Schwimmunterricht durch Adam belohnt. Einmal lockt er den Priester in ein Maisfeld und verführt ihn bei der Suche im Labyrinth zum tierisch genussvollen Austausch ihrer Jubelschreie.

Der polnische Bühnen- und Filmstar Andrzej Chyra zieht einen mit nuanciertem Spiel in den inneren Tumult der Hauptfigur. Die homophoben Sprüche der Kids weiß der Priester noch kühl zu kontern, doch die Beichte eines Jungen, der sein schlechtes Gewissen über erste schwule Sex-Erfahrungen mit sich herumträgt und zum Opfer eines kalt verschlagenen neuen Heiminsassen wird, ruft verdrängte eigene Erfahrungen auf. Adam wurde in das Dorf versetzt, weil die Kirchen-Obrigkeit sein Schwulsein kaschieren und bestrafen wollte. Sein Neustart steht auf dem Spiel, seine Liebe zu Lukasz könnte ihm zum Verhängnis werden, als das Dorf, vor allem sein Freund, der Lehrer, ihn für den Freitod des Jugendlichen verantwortlich macht.

„Im Namen des …“ ist kein Pamphlet gegen die Homophobie der katholischen Kirche, wenn auch der Film die bigotte Haltung der Kirchenfürsten in einer prägnanten zynischen Szene zwischen dem zuständigen Bischof und Adams Denunzianten auf den Punkt bringt. Der Film bleibt bei seinen Protagonisten, ihrer Verzweiflung und Sehnsucht. Er wäscht die glühende Hitze aus den Bildern fort und feiert die persönliche Entscheidung der Liebenden, ihre Freiheit, die Adams Stärke, ein „guter Priester und ein guter Mensch“ zu sein, nicht einen Moment in Zweifel zieht.

■ „Im Namen des …“ Regie: Malgorzata Szumowska. Mit Andrzej Chyra, Mateusz Kosciukiewicz, Lukasz Simlat u. a. P/F 2012, 102 Min.