: Streit um Mord in JVA
Nach der Tötung eines 20-Jährigen in der JVA Siegburg hat Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter eine Justizpanne eingeräumt. Die Opposition kritisiert ihr Krisenmanagement
von BENJAMIN WASSEN
Wie kann es sein, dass ein Häftling unbemerkt über zwölf Stunden zu Tode gefoltert wird? Über diese Frage ist nach dem grausamen Tötungsdelikt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Siegburg ein Streit entbrannt. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) kündigte „disziplinarische Vorermittlungen“ gegen Beamte der JVA an. Es gebe für sie aber keinen Anhaltspunkt, dass der Fall auf Personalnot zurück zu führen sei, erklärte die Ministerin noch am Morgen. „Im Rechtsausschuss konnte sie am Vormittag aber keinerlei Angaben machen, wie viele Vollzugsbeamte am Wochenende in Siegburg im Dienste waren“, so der rechtspolitische Sprecher der SPD, Frank Sichau. „Ich wüsste gerne mal, wie die Ministerin dann beurteilen kann, dass es nicht an Personalmangel lag.“
Nachdem die Ministerin zahlreiche Fragen im Justizausschuss nicht beantworten konnte, wurde die Sitzung auf Antrag der SPD unterbrochen. Mittags fuhr Müller-Piepenkötter dann nach Siegburg, um sich vor Ort zu informieren. Abends sollte die Sitzung fortgesetzt werden.
Am Wochenende hatten drei Häftlinge der JVA Siegburg ihren Zellennachbarn über Stunden grausam gequält und dann stranguliert. Von den Vorfällen nahm aber niemand Notiz. Zwei Vollzugsbeamte waren währenddessen sogar in die Zelle gegangen, hatten sie aber tatenlos wieder verlassen. „Das ist doch mehr als seltsam, wie einfach sich Vollzugsbeamte da haben abspeisen lassen“, so Frank Sichau. Die Täter hatten angegeben, das Opfer, das leblos im Bett lag, würde schlafen. Der Krach wäre beim Umstellen des Mobiliars entstanden. „Ich verstehe das nicht: Können Sie schlafen, wenn um Sie herum Möbel gerückt werden?“
Der Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Klaus Jäkel, nahm seine Siegburger Kollegen in Schutz. Er sei überzeugt, dass die grauenerregende Gewalttat nach derzeitigen Erkenntnissen von den Vollzugsbeamten nicht hätte vereitelt werden können. „Wir haben halt zu wenig Personal und müssen Häftlinge oft lange auf den Zellen alleine lassen.“ Jäkel fordert daher die Politik auf, nicht noch mehr Personal einzusparen. Im Haushaltsvorschlag für das kommende Jahr sei nur Geld für etwa 75 neue Kollegen eingeplant. Es würden aber erheblich mehr in den Ruhestand gehen. „Da muss die Politik einfach wissen, was sie will.“
Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe muss Nordrhein-Westfalen künftig auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Jugendstrafvollzug regeln. Ein Antrag der Opposition zum neuen Jugendstrafvollzugsgesetz wurde gestern im Landtag beraten. Eine Forderung der Opposition: Wohngruppenvollzug, in dem die „sozialen Kompetenzen der Jugendlichen gestärkt werden.“
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