: Gute Stimmung gegen krude Riten
Am Sonnabend wollen hunderte Nazis wieder ihr „Heldengedenken“ in Halbe abhalten. Doch ein neues Versammlungsgesetz und eine massive Bürgermobilisierung vermiesen den Rechten die Laune. Wieder ist ihnen der Zugang zum Friedhof verwehrt. Nun wollen sie nach Seelow ausweichen
von KONRAD LITSCHKO
Es werden immer mehr: Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, Brandenburgs Exminister Manfred Stolpe und der aktuelle Landeschef Matthias Platzeck, Abgeordnete und Kommunalpolitiker, märkische Schulen, Kirchengemeinden – und gar Wohnungsbaugenossenschaften rufen inzwischen zum „Tag der Demokraten“ nach Halbe auf. Selbst Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) liebäugelte mit einem Besuch in dem Brandenburgischen Dorf südöstlich von Berlin, musste aber absagen. Sie alle eint eines: so viele Bürger wie möglich am Sonnabend nach Halbe zu mobilisieren, um gemeinsam einen der größten deutschen Nazi-Aufmärsche zu verhindern.
Bereits zum siebten Mal finden sich am Vortag des Volkstrauertages Rechtsextreme aus dem ganzen Bundesgebiet an der dortigen Kriegsgräberstätte ein.
Doch Brandenburger Bürger und Politiker halten diesmal dagegen: mit ihrem „Tag der Demokraten“. 250 großflächige Plakate hat man im ganzen Bundesland verklebt, Mobilisierungsveranstaltungen organisiert. „Wir erfahren dieses Jahr eindeutig mehr Zuspruch“, freut sich Hans-Hartwig Lau, Mitorganisator des Aktionsbündnisses. Dessen Vorsitzender, Heinz-Joachim Lohmann, rechnet mit mindestens 4.000 Gegendemonstranten. „Im letzten Jahr hatten wir 14 Tage für die Organisation, diesmal fünf Monate – das macht sich bemerkbar“, so Lohmann.
Im vergangenen Jahr blockierten Landtagsprominenz und 2.000 Bürger die Halber Hauptstraße zum Friedhof. Die Rechten kamen keinen Schritt vorwärts, fuhren gefrustet mit den Zügen nach Hause. Diesmal haben die Brandenburger sich etwas anderes überlegt: eine Art Volksfest. Konzerte, Bratwürste, Zeitzeugengespräche und eine Menschenkette durch Halbe. „Das wird eine eigenständige Veranstaltung, die sich gegen die Ziele der Nazis richtet, aber mit dem rechten Aufmarsch nichts zu tun hat“, so Lohmann. Das Volksfest soll wieder auf der Hauptstraße, der Lindenstraße, in Halbe stattfinden.
Dabei hält auch eine neue Gesetzeslage die Rechtsextremen von ihrem Pilgerort fern. Mit Ausnahme der DVU stimmten die Landtagsparteien Ende Oktober für ein neues Versammlungsgesetz. Ab sofort sind damit Kundgebungen, die den Nationalsozialismus verherrlichen oder verharmlosen, auf Brandenburger Gräberstätten verboten. Explizit wird in dem Gesetz um den Friedhof eine Bannmeile gezogen.
Experten beurteilen den Gesetzestext kritisch. „Ich halte das für riskant, solange das Bundesverfassungsgericht noch nicht über Wunsiedel geurteilt hat“, sagte Ulrich Battis, Professor für Staatsrecht an der Berliner Humboldt Universität. Das Karlsruher Gericht wird im nächsten Jahr über das in den letzten beiden Jahren erteilte Versammlungsverbot für Rechtsextreme in dem Beerdigungsort des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß grundsätzlich entscheiden. „Bis dahin hätte man warten und dann ein neues Versammlungsgesetz aus einem Guss vorlegen sollen“, so Battis. Das beschlossene Gesetz sei „Flickwerk“.
Die Rechten haben auf das neue Gesetz reagiert: Anstatt auf „einem eher trostlosen Bahnhofsvorplatz gewissermaßen interniert zu werden“, wie es auf der Mobilisierungs-Internetseite heißt, wolle man nun in Seelow marschieren. Für die Nazis scheint der Ort nahe der polnischen Grenze für ihre kruden Gedenk-Riten genauso geeignet: Hier starben bei der größten Weltkriegsschlacht auf deutschem Boden im April 1945 über 100.000 Menschen.
Das Bürgerbündnis plant hingegen weiter seine Veranstaltungen in Halbe. Sollten die Nazis in Seelow marschieren, wird das Antifaschistische Bündnis seine Kundgebung in Seelow veranstalten. Auch die Gemeinde plant nun kurzfristig eine Gegenveranstaltung mit Konzert in Sichtweite der angemeldeten Nazi-Route und eine symbolische Besenreinigung der Straße nach Abzug der braunen Horden.
Einer wäre über das Fernbleiben der Rechten aus Halbe ganz besonders froh: Bürgermeister Ralf Kunze. „Pappsatt“ sei er über den jährlichen Trubel in seinem Dorf. Der ganze Ort werde für einen kompletten Tag von Polizei und Demonstranten blockiert. „Es ist grotesk, dass man den Neonazis so eine Bühne bereitet. Die müssen sich ja regelrecht freuen, hierherzukommen“, schimpft Kunze. Er würde den rechten Aufmarsch schlicht verbieten. „Aber wir Kommunalpolitiker haben ja dabei nichts zu sagen.“ Kunze jedenfalls werde am Sonnabend zum Gottesdienst der Gegendemonstranten gehen und dann schnellstmöglich aus Halbe verschwinden. „Da drängeln ja so viele vor die Kameras, da kann auf mich verzichtet werden.“