: Der Retter des Bürgertums
Walter Scheuerl hat es geschafft, Schwarz-Grün in Hamburg zu Fall zu bringen. Nachdem er die Schulreform per Volksentscheid kippte, mochte keiner, der den Anwalt für Medienrecht näher kannte, glauben, dass er sich von der politischen Bühne zurückzieht. Aus dem erworbenen Ruhm musste noch Benefit gezogen werden.
An Blitzlicht gewöhnt, blieb der Vater zweier Schulkinder ein Player im politischen Alltagsgeschäft der Stadt, mischte sich bald auch in neue Themen ein wie Straßenbahnbau oder Museumsschließung. Motto: Hauptsache, Opposition. Und er ließ die Grüne Schulsenatorin Christa Goetsch nicht weiter in Ruhe gewähren. Ging es ihm früher nur um die Schulstruktur, so fing er bald an, inhaltlich gegen neue Lernkultur zu polemisieren.
Als Sohn eines Erziehungswissenschaftlers scheut er sich nicht davor, sich mit Reformfreunden zu streiten. Der stets korrekt im Anzug gekleidete Scheuerl diskutiert gern offen und freundlich mit seinen Gegnern. Die aber verschwenden ihre Zeit. Ein Internetforum wurde geschlossen, auch weil man merkte, dass der Anwalt aus Blankenese den Streit im Chat nutzte, um seine Argumente zu schulen. Der Medienrechtler interpretierte in seinen Rundmails Pisa-Statistiken auf ganz eigene Weise. Das ließ Wissenschaftlern die Haare zu Berge stehen, aber die Medien ließen es dem Politik-Laien durchgehen. Doch wer im Thema ist, merkt: Was Scheuerl sagt, hat keine Konsistenz. Mal findet er Schulversuche okay, dann bekämpft er sie, mal begrüßt er neue Lernformen, dann sind sie Teufelswerk. In politischer Verantwortung könnte die Wechselhaftigkeit gefährlich werden.
Bis gestern strebte er diese Konsistenz auch gar nicht an. Doch nun wird er als Heilsretter der CDU gefeiert, als Versöhner des Bürgertums, gar von Journalisten gefragt, ob er nicht der heimliche Spitzenkandidat sei. Scheuerl lässt die Medien geschickt an seinem Werdegang teilhaben, bestimmt damit den Diskurs. Die Scheuerl-Story geht weiter. Kommt er auf Platz 3 oder 4, will er Schulsenator sein oder nicht? Auch wenn Inhalte fehlen, wird der Kult um die Person Wählerstimmen bringen. KAIJA KUTTER
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