: Gegen den Einheitsgeschmack
AUSFLUG Von Rheinsberg bis in die Niederlausitz: Im Nachbarland findet man inzwischen sehr gute und ungewöhnliche Brauereiwirtschaften und sehr gute regionale Biere
■ Finsterwalder Brauhaus, Sonnewalder Str. 13, 03238 Finsterwalde, Mo.–Sa. ab 18 Uhr, So ab 12 Uhr Tel. (0 35 31) 22 86, www.finsterwalder-brauhaus.de
■ Hafengrill, Am Hafen 1, 16269 Wriezen, Tel. (03 34 56) 27 33, www.kalkofenbier-wriezen.de
■ Zum Alten Brauhaus, Rhinhöher Weg 1, 16831 Rheinsberg, Do.–Di. ab 11.30 Uhr, Tel. (03 39 31) 7 20 88
■ Gasthausbrauerei Meierei, Im Neuen Garten 10, 14469 Potsdam, Di.–So. 11–22 Uhr (auch an Feiertagen) Tel. (03 31) 7 04 32 11, www.meierei-potsdam.de
■ Braumanufaktur Forsthaus Templin, Templiner Str. 102, 14473 Potsdam, tgl. 11–23 Uhr, Tel. (03 32 09) 21 79 79, www.braumanufaktur.de (mp)
VON MICHAEL PÖPPL
Berliner meckern gerne, oft schon, bevor es raus aufs Land geht. „Nimm was zu essen mit, wir fahren nach Brandenburg“, der Satz aus der beliebten Anti-Brandenburg-Hymne des Comedian Rainald Grebe wird bei Ausflugsplänen immer noch gern zitiert, gehört aber eher einer finsteren kulinarischen Vergangenheit an. In jedem touristisch belebten Ort der Mark findet man inzwischen ein Lokal mit passabler Hausmannskost. In den meisten Biergärten glüht im Sommer der Grill mit guten Würsten, Steaks und sogar knusprigen Maiskolben – „für unsere Vegetarier“, wie dann gut gemeint auf der Karte zu lesen ist. An einem Wichtigen, dem der „Biergarten“ seinen Namen verdankt, hapert es allerdings oft noch: am eigentlichen Bier. Denn nach der Wende haben vor allem die großen Bierkonzerne aus der Eifel, aus Westfalen, aus München oder Stuttgart ihre Claims in den neuen Ländern abgesteckt: Das Industriebier ist zwar okay, aber eher langweilig im Einheitsgeschmack. Doch auch beim Lieblingsgetränk der Deutschen verändert sich der Markt, ähnlich wie in der brandenburgischen Küche, wo man längst entdeckt hat, wie gut regionale Produkte wie Beelitzer Spargel oder Teltower Rübchen sich verkaufen: Über 20 kleine und mittelgroße Brauereien gibt es wieder im Land, viele mit einem angeschlossenen Biergarten, wo direkt vor Ort verkostet werden kann.
In der Niederlausitz braut zum Beispiel Markus Klosterhoff ein hervorragendes Spezialbier, das auch für viel Lob in der angesagten Craft-Bier-Szene sorgt. In seinem Brauhaus in Finsterwalde bekommt man immer mindestens drei verschiedene Sorten hausgemachtes Bier zur Auswahl. Immer dabei, Finsterwalder Pilsener und Dunkles, in den Biergartenmonaten auch ein frisches, fruchtiges Hefeweizen, das Standardweißbiere aus Bayern gern vergessen lässt. Dazu passend gibt es selbst gebackenes Treber-Brot mit Belag und Flammkuchen oder Pizza aus Treber-Teig. Ein Ausflug ins ferne Finsterwalde lässt sich übrigens hervorragend mit einer Besichtigung des Besucherbergwerks F 60 bei Lichterfeld verbinden, wo aus den Gruben der ehemaligen Tagebaue gerade der Bergheider See heranwächst.
Einen Einblick in die wechselvolle Industriegeschichte Preußens bietet auch Wriezen, das direkt am Eingang zum Oderbruch liegt. Einst ein wichtiges Handelszentrum, ist das kleine Hafenstädtchen in Märkisch-Oderland heute vor allem für Wassersportler interessant. Im alten Hafen betreibt Kanuverleiher Eckhard Brennecke den Hafengrill und eine kleine Hausbrauerei, eigentlich ein Hobby, heute ein Nebengeschäft. Sein Wriezener Kalkofenbier nennt er nach den benachbarten historischen Ofentürmen, in denen einst der wichtige Baustoff Kalk gebrannt wurde. Gezapft wird das leckere Helle, Dunkle oder Hefeweizen tatsächlich in Plastikbecher. Man kann aber Brennekes bemerkenswertes Bier auch im Zwei-Liter-Siphon mit nach Hause nehmen.
In Rheinsberg ist man stolz auf das von Kurt Tucholsky literarisch verewigte Schloss, das weitbekannte Opernfestival und nicht zuletzt auf das rauchig-malzige und sehr süffige Kronprinzenpils. Es verdankt seine Adelung dem jungen Friedrich von Preußen, der später mal als der Alte Fritz weltberühmt wurde, Rheinsberg liebte und angeblich selbst das Bierbrauen erlernte. Ein guter Durstlöscher, den man direkt in der Altstadt vorm Alten Brauhaus genießen darf.
Der Enkel des eher spartanisch gesinnten Fritz, Friedrich-Wilhelm II., ließ ab 1787 den opulenten Neuen Garten in Potsdam anlegen. Neben dem prächtigen Marmorpalais entstand auch eine nicht weniger prächtige Meierei, die den Hofstaat mit Butter und Käse versorgte. Heute befindet sich im klassizistischen Gebäude eine kleine Brauanlage und davor einer der schönsten Biergärten der Region. Die Sorten Meierei Hell und das herbere Spezialbier von Brauer Jürgen Solkowski sind immer am Hahn, saisonal gibt es auch Schwarzbier oder Maibock zu trinken. Neben dem fantastischen Blick über den Jungfernsee mehrere hervorragende Gründe, auch mal länger sitzen zu bleiben. Der Bus 603, der zurück in die Innenstadt von Potsdam fährt, hält zum Glück genau vor der Tür.
Auch das einzige Brandenburger Bio-Bier wird in Potsdamer gebraut. Nahe Caputh mit dem berühmten Einsteinturm, liegt die Braumanufaktur mit Badestelle am Templiner See und Streichelzoo. Im großen Biergarten werden zur naturtrüben „Potsdamer Stange“ herzhafte Braumeisterpfanne oder hausgemachte Kartoffelpuffer serviert.
Im Angebot des historischen Forsthauses ist auch ein verkanntes Sommergetränk, das die Biobrauer wiederbeleben wollen: die Potsdamer Weiße, durstlöschend mit weniger Alkohol, so wie man sie einst in Preußens Weißbierstuben liebte. Wer will, darf sogar Sirup – Waldmeister, Himbeere oder Holunder – dazuschütten. Muss man aber wirklich nicht.