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Archiv-Artikel

Ende eines Roadmovies

ODYSSEE Im Iran fährt jeder Peykan – und schimpft auf das Automodell von 1966. Zwei Monate brauchte die Künstlerin Anahita Razmi, um mit einem Peykan von Teheran nach Oldenburg zu gelangen. Der Respekt wuchs mit jedem Kilometer

In der Türkei gaben Taxifahrer Insidertipps: Die Zündkerzen mit der Zange quetschen!

Die Ampel wechselt auf grün. Gerade als ich die schlüpfrige Straße vor dem Edith-Ruß-Haus für Medienkunst überqueren will, schießt ein Auto um die Kurve, wie in Oldenburg nie eines gefahren ist. Das Auto ist pistaziengrün und reichlich abgerockt. Es erinnert an die 60er Jahre. Dabei ist es Baujahr 1999. Aber kann der Typ nicht bremsen? Nein, kann er wahrscheinlich nicht.

Der Peykan ist die gängigste Automarke im Iran: 1967 begann man dort, den britischen Hillman Hunter nachzubauen und produzierte ihn noch bis 2005 weiter. Die Künstlerin Anahita Razmi und ihr Freund und Fahrer Cornelis Knuth haben nun getan, was noch kein Peykanfahrer geschafft oder auch nur für eine gute Idee gehalten hat: Sie sind mit dem iranischen Allerweltsauto bis nach Deutschland gefahren. Nach Oldenburg.

Einen Monat lang waren sie unterwegs, mit höchstens 90 Stundenkilometern. Dafür wurden sie am Donnerstag nun mit Jubel und Sekt vor dem Edith-Ruß-Haus empfangen. Razmi, Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter, hat für ihr „Peykan Project“ ein Stipendium des Edith-Ruß-Hauses bekommen. In der Abgeschiedenheit einer Oldenburger Stipendiatenwohnung wird sie nun ihre auf Video gebannten Reiseeindrücke zu einem asiatisch-europäischen Roadmovie schneiden.

Ebenfalls einen Monat hat es gedauert, als Ausländer im Iran ein Auto zu kaufen und die Ausfuhrformalitäten zu erledigen. „Das Getrickse war die eigentliche Arbeit“, sagt Anahita Razmi. Die Beamten waren offenbar nicht weniger verzweifelt: Sie wollten helfen, aber es gab einfach keine Dienstanweisung für ein Anliegen, das noch niemand zuvor geäußert hatte.

Die Künstlerin verstand schnell: „Auf keinen Fall das Wort Kunst erwähnen.“ Um den Wagen ausführen zu dürfen, musste sie sogar beweisen, dass es sich dabei nicht um Kulturgut handelt. Stattdessen sprach sie vom symbolischen Wert des Autos für die deutsch-iranische Freundschaft. Beamte, die Verwandte in Deutschland haben, verstanden das.

„Wir gehen nicht, bis er unterschrieben hat“ – auch diese Strategie erwies sich als probates Mittel, im Iran ebenso wie an der EU-Außengrenze: Als Razmi und Knuth nach zwei Tagen des Wartens ihre Schlafsäcke vor dem Büro der bulgarischen Beamten ausrollten, ging alles plötzlich ganz schnell.

„Warum dieses Auto?“, fragten die Iraner entgeistert. Als aber erstmal die Grenze zur Türkei passiert war, wuchs der Respekt vor dem Gefährt. Häufig wurde das Auto von hinten fotografiert. Türkische Taxifahrer gaben Insidertipps: Die Zündkerzen mit einer Zange quetschen!

„Wir trafen einen Belgier, der hatte Tränen in den Augen“, erzählt Anahita Razmi. „Er hatte mal eine iranische Freundin.“ Bei einer Internet-Auktion in den USA hat ein Peykan übrigens bereits einmal stolze 40.000 Dollar eingebracht. ANNEDORE BEELTE