Ein echter Individualist

Wer einen wie Huszti beschäftigt und bezahlt, bekommt etwas zurück – in den meisten Fällen etwas Überraschendes

Seine vielen Beinamen hat ersich redlich verdient. An guten Tagen gibt Szabolcs Huszti im Trikot von Hannover 96 den Zauberfuß, den Dribbel- und Schnibbelkönig oder den trickreichen Spielgestalter. Ein Fußballprofi seiner Güte müsste eigentlich mindestens bei Schalke 04 oder Bayer Leverkusen spielen – wenn nicht sogar bei noch besseren Klubs.

Dummerweise kann der Ungar aber auch anders: Wenn es nicht läuft wie gewünscht, wenn er lustlos ist, dann wird Huszti zu einem Phlegmatiker mit Hang zum Schlendrian oder gleich zur Diva. Die Kernfrage bei Hannover 96 bleibt, ob man sich diesen Luxus auf Dauer leisten möchte. Die Niedersachsen beschäftigen einen Mann, der eigentlich alles kann – es aber nicht immer zeigt. Sein Schuss Individualität kann auch Spiele retten, die schon verloren sind. Seine Portion Egoismus andererseits kann die Moral einer gesamten Mannschaft nachhaltig untergraben.

Mit Stand von heute wird es so kommen: Huszti wird trotz seines jüngsten Ärgers mit der Vereinsführung nach der Sommerpause zurückkehren und Hannover 96 ein weiteres Jahr lang verzaubern. Der Vertrag des 31-Jährigen läuft noch bis zum Sommer 2015. Eine echte Belastungsprobe für dieses Beschäftigungsverhältnis: Husztis jüngster Versuch, den diesjährigen Urlaub eigenmächtig um ein paar Tage zu verlängern – und die letzten 96-Testspiele zu schwänzen.

Einfach früher vom Dienst verschwinden oder verspätet aus der Heimat zurückkehren: Was sonst so häufig eine Extrawurst südamerikanischer Spieler zu sein scheint, wollte offenbar auch der Ungar für sich in Anspruch nehmen. Seine Begründung klang dabei klug gewählt und nahm allzu großem Ärger auf Seiten seines Arbeitgebers den Schwung: Huszti führte an, er habe sich müde gefühlt und ausgebrannt. Und erklärte, die angekündigte empfindliche Geldstrafe für sein eigenmächtiges Fehlen – die Rede ist von den vertraglich maximal möglichen 20.000 Euro – wolle er in Kauf nehmen „wie ein erwachsener Mann“.

Ist Huszti nun für seine Eigenmächtigkeit zu verfluchen – oder nicht doch wegen Schlitzohrigkeit bewundernswert? Wer als Fan der Hannoveraner noch darüber grübelt, kann als Entscheidungshilfe auf diese Faktoren zurückgreifen: Mit zehn Toren und neun Vorlagen war Huszti als Regisseur in der Saison 2013/14 eine der zentralen Figuren von Hannover 96. Aus einem Eckball oder einem Freistoß macht er stets ein Mysterium für den Gegner – und sorgt damit für große Torgefahr. Das Beste an ihm bleibt, dass er ein echter Typ ist, von dessen Sorte 96-Trainer Tayfun Korkut so schnell keinen zweiten finden wird.

Auch wer sich bei den Gegnern umhört, um zu erfahren, welchen Spieler bei den Niedersachsen sie besonders achten oder sogar fürchten: Fast immer kommt als Antwort – Huszti. Die Fußball-Bundesliga lebt von Typen wie ihm. Und eine Mannschaft wie Hannover 96, der zuletzt viel zu selten ein überzeugendes Spielkonzept vergönnt war, lebt erst recht von seinem Genie.

Wer Szabolcs Huszti will, ihn beschäftigt und bezahlt, bekommt auch etwas zurück – in den meisten Fällen ist es etwas Überraschendes. Und gegen eine Saison voller Überraschungen: Was sind da schon ein paar blau gemachte Arbeitstage? CHRISTIAN OTTO