piwik no script img

Archiv-Artikel

Im Westen was Neues

Der WDR hat eine Intendantin. Monika Piel ist am Ziel. Noch-Intendant Fritz Pleitgen schließt Amtsübergabe vor dem offiziellen Termin im Juli 2007 nicht aus. Kritik am Auswahlverfahren

AUS KÖLN BORIS ROSENKRANZ

Die Bahn ist schuld. Weil sein Zug im tiefsten Westfalen feststeckte, konnte bei der gestrigen Intendantenwahl des WDR einer der 43 Rundfunkräte nicht mit abstimmen. Hätte er, wäre das Ergebnis wohl noch deutlicher ausgefallen: Bei zwei Enthaltungen konnte Monika Piel immerhin stattliche 38 Jastimmen, sprich: 88,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Und das, obwohl sich die WDR-Hörfunkdirektorin „nie große Chancen“ auf das höchste Amt im WDR ausgerechnet hatte.

Doch nun ist es offiziell: Am 1. Juli 2007 soll Piel den bisherigen Intendanten Fritz Pleitgen ablösen. Offiziell. Wenn Pleitgen nicht schon früher an seine Nachfolgerin abgibt. „Ich schließe nichts aus“, so Pleitgen. Für den Vorsitzenden des Rundfunkrats, Reinhard Grätz, ist damit ein „schwieriger halbjähriger Prozess“ zu Ende gegangen, bei dem der Rundfunkrat der „zweite Sieger“ sei, da er sich nicht von Außeneinwirkungen habe beeinflussen lassen.

Dabei hatte das Verfahren für reichlich Kritik gesorgt. Grätz wurde vorgeworfen, seinem Ausschuss Kandidaten vorenthalten zu haben. Piel war zuletzt die einzige Kandidatin gewesen, nachdem ihre Kontrahenten am Wochenende abgesprungen waren. Der Grund: Bereits am vergangenen Freitag hatte sich abgezeichnet, dass die Rundfunkräte Piel favorisieren würden.

Das Ergebnis, so Grätz, beinhalte einen „beachtlichen Vertrauensvorschuss“. Den Piel bei einer, wie es unisono hieß, „schwierigen Aufgabe“ auch brauchen könne. Piel selbst nannte als wichtigste Aufgaben ihrer Intendanz, den Sender für die Digitalisierung der Verbreitungswege zu rüsten und den WDR von kommerziellen Angeboten abzugrenzen, um die Akzeptanz der Gebührenordnung zu sichern. Außerdem werde sie weiter an der Verjüngung des Publikums arbeiten, das, wie in der ARD üblich, an Überalterung leidet. Wer Piels Nachfolger als Hörfunkdirektorin wird und wer Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf beerbt, bleibt vorerst offen. Spätestens im Januar 2007 soll das „Piel-Team“ (O-Ton Pleitgen) dann stehen.