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Archiv-Artikel

Muss sie abdanken?

Roswitha Müller-Piepenkötter soll zurücktreten, fordern Kommentatoren und Opposition. Die taz-Chronik zeigt, was die Justizministerin (CDU) seit dem Mord in der Zelle tat – und was nicht

von BENJAMIN WASSEN

Samstag, 11. November

Hermann H. wird von seinen drei Zellennachbarn in der JVA Siegburg zu Tode gefoltert. Die Vollzugsbeamten neben keine Notiz von dem Verbrechen.

Sonntag, 12. November

Um kurz nach sechs Uhr wird der 20-Jährige tot in der Zelle gefunden. Vier Stunden später wird das Justizministerium informiert. Die Bonner Staatsanwaltschaft ordnet eine Obduktion an.

Montag, 13. November

Der Leiter der JVA, Wolfgang Neufeind, erklärt um 11.54 Uhr: „Der Gefangene hat sich erhängt, ohne dass es die Mitgefangenen bemerken konnten.“

Die Ministerin wird am Morgen über den Vorfall informiert.

In Siegburg erhärtet sich nach der Obduktion der Mordverdacht. Am späten Abend wird klar: Es liegt ein Verbrechen vor.

Dienstag, 14. November

Um 10 Uhr informiert das Landesjustizvollzugsamt das Ministerium über den Mord.

Die Staatsanwaltschaft gibt eine öffentliche Erklärung ab.

Wenig später zeigt sich Müller-Piepenkötter bestürzt. Die Ermittlungen stünden „derzeit erst am Anfang.“ Von daher verbiete sich noch jede Stellungnahme.

Mittwoch, 15. November

Die Staatsanwaltschaft schildert um 15 Uhr auf einer Pressekonferenz detailliert den Tathergang. Ob die Vollzugsbeamten eine Mitschuld tragen, sei unklar.

Donnerstag, 16. November

Der Rechtsausschuss des Landtages tritt um 9 Uhr zusammen. Müller-Piepenkötter ist nicht in der Lage, grundlegende Informationen zu liefern. Unter anderem weiß sie nicht, wie viele Beamte am Tatwochenende Dienst geschoben haben.

Mittags fährt sie erstmals nach Siegburg. Sie habe so lange gewartet, um die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht zu gefährden. Denn sie sei Dienstherrin von potentiell Beschuldigten, so ein Ministeriumssprecher. Gespräche mit Mitarbeitern oder der Anstaltsleitung könnten ihr als Strafvereitelung ausgelegt werden.

Abends kündigt die Ministerin „disziplinarische Vorermittlungen“ an. Außerdem sollen nur noch höchstens zwei Häftlinge auf einer Zelle sitzen.

Die SPD-Opposition fordert danach zum ersten Mal den Rücktritt der Ministerin.

Freitag, 17. November

Den schließt Müller-Piepenkötter aus: „Hier geht es nicht um politische Verantwortung.“

Sie leitet ein Disziplinarverfahren ein und ernennt einen Ermittlungsleiter.

Samstag, 18. November

Nichts neues. Staatsanwaltschaft und Ministerium ermitteln.

Sonntag, 19. November

Im Justizministerium fällt die Entscheidung, den Anstaltsleiter zu ersetzen.

Montag, 20. November

Acht Tage nach der Tat erklärt Müller-Piepenkötter am späten Nachmittag, dass der Siegburger Anstaltsleiter Wolfgang Neufeind ins Justizvollzugsamt versetzt wird. Für eine Suspendierung bestehe keine Veranlassung. Auch für den eigenen Rücktritt nicht.

Sie kündigt neue Haftplätze und mehr Personal in den Gefängnissen an.

Dienstag, 21. November

Laut Staatsanwaltschaft ist weiterhin unklar, ob die Aufseher eine Mitschuld am Mord tragen.