: Kein Abstrich am Mittelstrich
Wirrnis im Prozess um den Ausbau der Schwachhauser Heerstraße: Auf einmal redet selbst die Stadt nur von zwei überbreiten Spuren. Malen will sie aber vier. Mängel beim Lärmschutz an der Bahn
von Armin Simon
Vier Spuren? Für die Schwachhauser Heerstraße? Die Handelskammer fordert sie, die CDU besteht darauf, der CDU-Bausenator beschloss den Ausbau, Abschnitt zwei: zwischen Hollerallee und Bismarckstraße. Alle drei Beiräte im Umfeld lehnen ihn ab, Bürger-Initiativen protestieren, mit Demos, Petitionen, Klagen. Seit Jahren geht das so, gestern verhandelte das Oberverwaltungsgericht die Klagen von drei AnwohnerInnen gegen den Planfeststellungsbeschluss. Und der einst von der Handelskammer beauftragte Verkehrs-Gutachter Walter Theine beteuerte: „Vier Spuren hat niemand gewollt.“
Noch vor zwei Jahren, bei der Vorstellung seiner Expertise, hatte das ganz anders geklungen. „Wir brauchen in jede Richtung zwei Spuren“, hatte Theine da verkündet. Gestern erklärte er, je eine „einstreifige überbreite Richtungsfahrbahn“ auf jeder Seite der Straßenbahntrasse reichten für das prognostizierte Verkehrsaufkommen völlig aus. Unruhe im Saal, selbst das Gericht ist irritiert.
Kläger-Anwalt Gerd Winter zieht die Planzeichnungen hervor. Alle zeigen sie vier Spuren, je zwei für eine Richtung, getrennt durch eine gestrichelte Mittellinie. Wegen des großen Verkehrsaufkommens, heißt es im Planfeststellungsbeschluss des Bausenators, sei „ein 4-streifiger Ausbau erforderlich“. „Ist diese Aussage also unzutreffend?“, will Winter wissen. Der Vertreter des Amts für Straßen und Verkehr (ASV) kommt ins Lavieren. Es handele sich, setzt Heiko Wenke an, um eine „Formulierung, die so nicht mehr ganz zutrifft“. Schließlich habe man die Breite der links und rechts der Straßenbahngleise geplanten Asphaltpiste im Zuge des Verfahrens bereits von 5,80 auf 5,50 Meter reduziert, daher handele es sich laut Definition nun um je eine „überbreite Richtungsfahrbahn“. Sie sehe „ebenfalls“ keine vierspurige Straße in der Planung, bekräftigt die Anwältin der Stadt.
„Ob sie da einen Mittelstreifen draufmalen oder nicht, ist doch egal“, sagt Theine noch. Und trifft damit den wunden Punkt. Denn zum nebeneinander Aufstellen vor und Anfahren nach einer Kreuzung, da sind sich tatsächlich alle einig, reicht eine überbreite Spur aus, ebenso zum Vorbeifahren an rechts parkenden Lieferfahrzeugen. Nur zum kontinuierlichen Nebeneinanderfahren, vierspurig eben, ist der Mittelstreifen laut ASV unverzichtbar. Genauso wie die vom ASV geforderte Straßenbreite von je 5,50 auf beiden Seiten. „Sonst wird einspurig gefahren“, sagt Wenke. „Also doch vier Spuren“, resümiert Winter.
Die KlägerInnen wollen genau das verhindern. Man sei überhaupt nicht dagegen, dass die Straßenbahn ein eigenes Gleisbett erhalte. Dass aber eine besser ausgebaute Straße nicht über kurz oder lang mehr Verkehr anziehe, wie die Verkehrsplaner der Behörde auch gestern beteuerten, sei eine „heroische Annahme“, spottete Winter.
Nachbessern muss die Behörde, das zeichnete sich gestern ab, möglicherweise beim Lärmschutz. Anders als bisher dargestellt, unterstrichen gestern Vertreter der Bahn AG, sei es sehr wohl und „ohne Probleme“ möglich, an der neu zu bauenden Bahnbrücke sowie 50 Meter links und rechts davon Schallschutzwände anzubringen. Gegen den Straßenlärm helfen diese allerdings nicht. Dem herzkranken Mann einer der KlägerInnen riet ein Arzt bereits zum Umzug. Eine Gesundung in seinem Haus an der Schwachhauser Heerstraße sei wegen des Lärms nicht möglich. Die Verhandlung dauerte bei Redaktionsschluss noch an. Rechtsanwalt Winter forderte, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben. Ein Urteil soll erst in einigen Wochen fallen.