: Verdunklungsgefahr
Aus Hannover JÜRGEN VOGES
Ein gutes Jahr nach den ersten Schlagzeilen über Reisen und Bordellbesuche auf Firmenkosten hat die Volkswagen-Affäre zu einer ersten Verhaftung geführt: Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Braunschweig hat das Amtsgericht der niedersächsischen Stadt gestern gegen den ehemaligen VW-Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert Haftbefehl wegen Verdunklungsgefahr erlassen.
Der Vorwurf: Volkert soll im Beisein seines Rechtsanwalts Peter-Michael Diestel versucht haben, den ebenfalls in der VW-Affäre beschuldigten Expersonalmanager Klaus-Joachim Gebauer zur Rücknahme einer belastenden Aussage zu überreden. Volkert war als Vorsitzender des Gesamt- und des Weltbetriebsrates von VW einst ebenso mächtig wie ein Vorstandsmitglied. Selbst Niedersachsens Ministerpräsident Wulff, der mittlerweile für sein unglückliches Agieren im VW-Aufsichtsrat Kritik erntet, erklärte am Montag noch, er sei 2003 „auf ausdrücklichen Wunsch des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden in den Aufsichtsrat von Volkswagen gegangen“ – gemeint, wenn auch nicht genannt, ist Klaus Volkert.
Dem gleichen Volkert, der einst nicht nur die gleiche Macht wie ein VW-Vorstandsmitglied, sondern auch die gleichen materiellen Privilegien für sich beanspruchte, bietet die niedersächsische Justiz nun eine wenig komfortable Unterkunft. Gestern Mittag wurde er bei Wolfsburg von Beamten des Landeskriminalamtes Niedersachsen festgenommen. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft gegen ihn Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts der Anstiftung zur Untreue in 36 Fällen und wegen Verdunkelungsgefahr beantragt.
Bei der Anstiftung zur Untreue in 36 Fällen geht es um die gleichen Delikte, deretwegen Ex-VW-Personalvorstand Peter Hartz bereits angeklagt ist: um offenbar vom gesamten VW-Vorstand nicht genehmigte Sonderbonuszahlungen an Volkert in Höhe von knapp 2 Millionen Euro, um Zahlungen an Volkerts ehemalige Geliebte Adriana Barros, die von VW offenbar ohne entsprechende Gegenleistungen knapp 400.000 Euro Honorar erhielt, und auch um die Vertrauensspesen etwa für Reisen von Volkert, die Klaus-Joachim Gebauer im Auftrage von Hartz abrechnete. Laut Anklage gegen Hartz, die vor allem auf Aussagen des Expersonalchefs beruht, soll Volkert all diese Zahlungen veranlasst haben. Bei einer Anklage gegen Volkert, die in diesem Jahr allerdings nicht mehr zu erwarten ist, könnten weitere Vorwürfe hinzukommen.
Unmittelbarer Anlass für den Haftbefehl war ein Treffen von Volkert und dessen Anwalt Diestel am 1. November in Magdeburg. Im Beisein seines Rechtsanwaltes habe Volkert Gebauer bedrängt, „seine bisherigen Angaben den Sachverhalt Dr. Volkert betreffend abzuschwächen oder zu relativieren, um auf diese Art und Weise etwaig unbestraft zu bleiben oder zumindest milder bestraft zu werden“, fasste die Staatsanwaltschaft gestern in einer Mitteilung den Inhalt des Gesprächs zusammen.
Gebauer soll bei dem Treffen ein kostenloser Verteidiger angeboten worden sein, und Volkert wollte angeblich auch dafür sorgen, dass Gebauer keine Zahlungen an seinen bisherigen Beistand, den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, leisten muss. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war es dann Kubicki, der – im Namen seines Mandaten, versteht sich – die Ermittler über das unseriöse Angebot Volkerts informierte. Der Haftbefehl wegen Verdunklungsgefahr und der damit einhergehende noch tiefere Sturz des einst mächtigen VW-Betriebsratsfürsten war die Folge.