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Archiv-Artikel

Speichern auf Verdacht

DATENBANK Heute startet ein Modellprojekt zur Erfassung mutmaßlicher Missbrauchsopfer

BERLIN taz | 4.000 Fälle von Kindesmisshandlung wurden im vergangenen Jahr gemeldet. Um diese frühzeitig aufzudecken, gibt es in Duisburg die Risiko-Kinder-Informations-Datei, kurz: Riskid. Ein Duisburger Kinderarzt und ein Beamter des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hatten vor drei Jahren die Idee, eine Datenbank einzurichten. In diese nur Ärzten einsichtige Datenbank sollten Kinderärzte Daten und Diagnosen eingeben, wenn sie bei einer Untersuchung den Verdacht haben, dass ein Kind misshandelt wird. Am Mittwoch soll die Datenbank bundesweit als Modellprojekt von Ärzten und BDK starten.

Doch das Vorhaben ist umstritten. Die Datenbank ist illegal, kritisiert der Staatsrechtler Stefan Huster von der Ruhr-Universität Bochum: „Sie widerspricht der ärztlichen Schweigepflicht.“ Auch aus dem Büro des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten ist Ähnliches zu hören. Laut einer Sprecherin ist klar, dass die Datenbank gegen die ärztliche Schweigepflicht verstößt und „ohne einen rechtlichen Rahmen die Datenbank nicht betrieben werden kann“. Zudem verleite die Dokumentation von Verdachtsfällen dazu, die Einzelfälle zu schnell zu den Akten zu legen, wenn man sie einfach in die Datenbank eintragen kann.

Die Befürworter der Datenbank nennen die bisherige Rechtslage absurd. Demnach ist es nach dem Schweigepflichtsparagrafen Ärzten grundsätzlich nicht gestattet, sich ohne Einverständnis der Erziehungsberechtigten über Verdachtsfälle von Kindesmisshandlungen gegenseitig auszutauschen.

Dass die Datenbank rechtswidrig ist, räumt auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter ein. Doch als Mitinitiator meint dieser, dass „eine Änderung in der Sozialgesetzgebung es allerdings ermöglichen könnte, dass Ärzte die Daten an die Jugendämter weitergeben, die diese verwalten müssen“ sagte Bernd Carstensen vom BDK. Das Problem sei, „dass die Eltern oft ganz bewusst die Ärzte wechseln, damit die Misshandlungen nicht auffallen.

In die Datenbank sollen zum Teil personenbezogene und hochsensible Daten wie nicht bestätigte Diagnosen eingetragen und abgeglichen werden können. Was mit den Daten passiert, wenn sie nicht mehr benötigt werden, ist unklar. MARKUS SCHULZ