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Archiv-Artikel

„Erwachsene sind das Problem“

Nicht nur Jugendliche sind empfänglich für rechtes Gedankengut, sondern auch ältere Menschen, sagt Uwe-Karsten Heye, der Vorsitzende des Vereins „Gesicht zeigen“

taz: Die bisherigen Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus werden durch ein neues Aktionsprogramm abgelöst. Die Fördersumme von 19 Millionen Euro pro Jahr bleibt unverändert, zusätzlich gibt es 5 Millionen Euro für regionale Beratungsstellen. Sind Sie mit diesem Ergebnis zufrieden?

Uwe-Karsten Heye: Ich freue mich, dass endlich ein Schlussstrich unter die internen Diskussionen im Familienministerium gezogen worden ist. Und natürlich begrüße ich die 5 Millionen zusätzlichen Euro, die vor allem an die Mobilen Beratungsteams gehen sollen. In den unterschiedlichen Räumen, mit denen wir es zu tun haben, also ländlich strukturierte Gebiete, Kleinstädte und Großstädte, sind in der Auseinandersetzung mit rechts unterschiedliche Ansätze gefordert. Insofern bin ich froh, dass diese Teams jetzt besser ausgestattet werden. Ich glaube aber auch, das der Bund als einziger Spieler auf diesem Feld nicht ausreicht.

Wieso?

Wir brauchen eine nationale Anstrengung, in der sich der Bund, die Länder, die Kommunen, die Wirtschaft und die Kulturträger gemeinsam Strategien gegen den zunehmenden Rechtsextremismus erarbeiten.

Gleichzeitig kritisieren Sie am neuen Bundesprogramm, dass bei der Mittelvergabe künftig vor allem die Kommunen das Sagen haben. Was genau stört Sie daran?

Grundsätzlich stört mich nichts daran. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass besonders im ländlichen Raum das Rechtsextremismusproblem eher abgewiegelt wird. Die Hütte mag noch so brennen – es soll der Eindruck erweckt werden, dass alles in Ordnung und jeder Investor willkommen ist.

Sie fordern also, die Kommunen nicht mit den Problemen alleine zu lassen. Wie könnte das institutionell aussehen?

Das ist nicht einfach zu beantworten. Zumindest ist es ein Fehler, zu glauben, dass wir es hier bloß mit einem Jugendproblem zu tun haben. Das ist falsch: Rechtsextremismus ist in erster Linie ein Erwachsenenproblem. Rassismus und Antisemitismus sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In vielen Teilen Brandenburgs zum Beispiel, wo es seit acht Jahren eine intensive, auch vom Land finanzierte Arbeit gegen rechts gibt, haben die Bürger die Erfahrung gemacht, dass es vor allem notwendig ist, die Menschen in den kleinen Orten wachzurütteln. Dieses Wachkriegen ist das eigentlich Entscheidende. Das kann man nicht mit einem großen Programmentwurf erreichen, sondern nur mit der leisen Arbeit der Mobilen Beratungsteams. Dafür braucht man einen langen Atem. Zugleich brauchen wir eine klare Vorstellung davon, dass wir nicht nur über die jungen Leute reden, sondern auch mit ihnen.

INTERVIEW: RÜDIGER ROSSIG