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Archiv-Artikel

Kapital und Arbeit verbündet

SOZIALES Martinsclub und Gewerkschaften haben endlich einen Tarifvertrag unterschrieben. Die Probleme sind damit allerdings nicht aus der Welt

Der Martinsclub

Knapp 600 MitarbeiterInnen sind bei dem gemeinnützigen Beschäftigungsträger Martinsclub angestellt.

Die meisten der pädagogischen Fachkräfte arbeiten beim Martinsclub als SchulassistentInnen für Kinder mit besonderem Förderungsbedarf.

Im Bereich Wohnen betreut der Martinsclub 90 Menschen in Privatwohnungen, WGs und Wohneinrichtungen.

Mit dem Projekt „Inklusive Stadt Bremen“ engagiert sich der Martinsclub auch in der Stadtteilarbeit.  JPK

Einen Tarifvertrag für die MitarbeiterInnen des Martinsclub (MC) haben Arbeitgeber und Gewerkschaften am gestrigen Mittwoch unterschrieben. Damit geht ein langer Prozess zu Ende, in dem sich die Tarifpartner in vielen Punkten weitgehend einig gewesen seien und in „respektvollem Umgang“ verhandelt hätten, sagte MC-Geschäftsführer Thomas Bretschneider (taz berichtete).

Trotzdem lange gedauert hat es, weil der Arbeitgeber nicht sein eigenes Geld ausgibt: Der MC ist Träger sozialer Dienste, insbesondere im Bereich Schulassistenz für behinderte Kinder. Der gemeinnützige Verein ist fast ausschließlich von öffentlichen Geldern abhängig. Ausschlaggebend für theoretische Tarife ist also die praktische Refinanzierung durch die Kostenträger – oder wie Christian Gloede, Landersvorstandssprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagt: „Der Senat saß als unsichtbarer Dritter am Verhandlungstisch.“

Für die rund 600 MC-ArbeitnehmerInnen bedeutet die Einigung konkret: Jahressonderzahlungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Altersvorsorgezuschuss. Die folgenschwerste Neuerung sind Stufenanstiege nach Betriebszugehörigkeit. Bisher gab es beim Martinsclub Einheitslohn, jetzt steigen die Gehälter mit den Dienstjahren.

Daraus resultieren verhältnismäßig geringe Einstiegslöhne, die es dem Unternehmen schwer machten, qualifiziertes Personal zu bekommen, so Bretschneider. Auch wenn diese und andere Folgen der Neuregelung noch nicht vollständig kalkulierbar seien, begrüße er die Planungssicherheit und den „sozialpolitischen Beitrag“.

Und darum geht es auch den Gewerkschaften. Uwe Schmid, Gewerkschaftssekretär bei Ver.di, möchte möglichst viele Träger auf Tariflohn bringen, um die Verhandlungspositionen für einen allgemeinen Tarifvertrag zu stärken. Den Martinsclub ins Boot zu holen, sei dafür ein wichtiger Schritt, sagte er.

Die Konflikte sind mit dem Vertragsabschluss nicht aus der Welt. Nicht alle MC-Beschäftigten arbeiten in Vollzeit, und wie viele Stunden Assistenz hilfsbedürftigen Kindern zugesprochen werden, entscheiden die Kostenträger. Er, sagt Bretschneider, sei nicht in der Lage, entsprechende Defizite aufzufangen: „Wir lassen uns nicht erpressen – wenn der Senat Inklusion will, muss er sie bezahlen.“

Die MC-MitarbeiterInnen entscheiden nun, ob sie die neuen Arbeitsverträge unterschreiben oder zu den alten Bedingungen arbeiten.  JAN-PAUL KOOPMANN