piwik no script img

Archiv-Artikel

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Nominiert war „American Hustle“ in diesem Jahr für alle wichtigen Oscar-Kategorien, bekommen hat er keinen einzigen. Auch die Reaktionen des Publikums waren verhalten. Fragt sich, warum. Denn David O. Russells 70er Jahre Komödie über eine von einem FBI-Agenten inszenierte Charade um einen falschen arabischen Scheich, dessen Schmiergelder im Rahmen erheblicher Investitionsversprechen einen lokalen Politiker der Korruption überführen sollen, besitzt Klasse. Mehr als um den Betrug geht es im Grunde um verschiedene Formen des Selbstbetrugs, dem alle Hauptfiguren in ihren Versuchen aufsitzen, irgendwie ein Stück des Kuchens abzubekommen – während die gespielte Posse doch gleichzeitig komplett durchschaubar ist. Mit „American Hustle“ wildert Russell ein wenig in der Gattung der Scorsese’schen Gangsterkomödien, deren epische Struktur mit vielen Personen, Handlungssträngen und Zeitebenen er hier ebenso übernommen hat wie das Stilmittel des Voice-Overs. Doch der Tonfall ist ein anderer: Russell erzählt seine Geschichte mit größerer Leichtigkeit und einer immer spürbaren Sympathie für seine Figuren, die in ihren lächerlichen Selbstbetrugsversuchen doch immer auch ihre Würde und Menschlichkeit bewahren. (23. 5., Freiluftkino Rehberge)

Die lustigste Mordverhinderung der Filmgeschichte gibt es in Alfred Hitchcocks „North by Northwest“ (1959). Da bringt Cary Grants Filmmutter die Leute in einem vollbesetzten Fahrstuhl nämlich erst einmal zum Lachen: „Das kann doch nicht ihr Ernst sein, meine Herren! Sie wollen wirklich meinen Sohn ermorden?“ Ansonsten hat der Werbefachmann Roger Thornhill (Grant) weniger zu lachen: Versehentlich für einen nicht existenten Agenten gehalten, sieht er sich ständigen Nachstellungen sowohl von freundlichen wie von feindlichen Spionen ausgesetzt. Wobei es gar nicht so einfach ist, herauszufinden, wer hier wer ist. Von einer irrwitzigen und demütigenden Situation zur nächsten gehetzt, verliert Cary Grant jedoch nie seinen Sarkasmus und den stets leicht irritierten Gesichtsausdruck, der seinen Charme ausmachte. (OmU, 27. 5. Open Air Mitte)

Ob überhaupt ein Mord stattgefunden hat, bleibt in Michelangelo Antonionis „Blow Up“ (1966) unklar: Die Bemühungen eines hippen Londoner Modefotografen (David Hemmings), das Geheimnis einer extrem grobkörnigen Vergrößerung eines Fotos, auf der er eine Leiche zu sehen glaubt, zu enträtseln, verläuft im Nichts. Die Realität ist kaum zu fassen in dieser Beschreibung einer Gesellschaft, die sich meist in Oberflächlichkeiten ergeht und die Sinnsuche in der schönen neuen Welt letztlich einstellen muss: überall nur Leere. (OmU, 28. 5., Freilichtbühne am Weißen See)