: Atommüll statt Kinderbücher
Eigentlich ist er arbeitsmäßig ganz gut ausgelastet, doch Jörg Sommer hat sich noch einen weiteren Job aufgeladen. Einen schwierigen zudem. Der Kinderbuchautor und Vorstandsvorsitzende der Deutschen Umweltstiftung besetzt nämlich den zweiten für die Umweltverbände reservierten Platz in der Atommüll-Kommission neben BUND-Vize Klaus Brunsmeier. Das Gremium, das Grundlagen für die Endlagersuche erarbeiten und das 2013 verabschiedete Standortauswahlgesetz überprüfen soll, tritt heute erstmals zusammen.
Als Kommissionsmitglied muss Sommer nicht nur einer Phalanx von Bundestagabgeordneten, Landesumweltministern, Parteienvertretern sowie Atomlobbyisten und Gorleben-Befürwortern Paroli bieten. Sondern auch massiver Kritik von Bürgerinitiativen und Antiatomkraftorganisationen, die mehrheitlich – weil sie das ganze Suchverfahren für untauglich halten – eine Mitarbeit in der Kommission ablehnen und für Donnerstag Proteste angekündigt haben.
Abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken ist Sommer aus Sicht von Atomkraftkritikern gar keine schlechte Wahl. Der 50-Jährige ist inhaltlich firm, rhetorisch gewandt und gut vernetzt. Beim Atommüll-Kongress der Umweltbewegung Ende März in Berlin brachte er als Leiter einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion durch kritische Nachfragen insbesondere Umweltstaatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Grünen-Chefin Simone Peter ein ums andere Mal ins Schwitzen.
Im Hauptberuf ist der gebürtige Heilbronner Sommer Schriftsteller. Gemeinsam mit seiner Frau Gerit Kopietz hat er mehr als 160 Kinder- und Jugendbücher verfasst. Das Spektrum reicht von Sachbüchern über Kinderkrimis, Eltern- und Lehrerratgeber bis zu Bilderbüchern. Die Titel wurden in bis zu 30 Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage liegt bei rund 3 Millionen Exemplaren.
Sommer ist auch einer der Gründer des ersten deutschsprachigen Kinderbuchautoren-Netzwerkes Kibuli und Mitherausgeber des Jahrbuches Ökologie. Seit 2009 ist er Vorstandsvorsitzender der Umweltstiftung, der größten deutschen Bürgerstiftung. Außerdem ist der vierfache Vater in zahlreichen Jurys sowie politischen Beratungsgremien aktiv. Bei diesen Tätigkeiten muss er in den nächsten zwei Jahren wohl kürzertreten. Denn die Mitarbeit in der Endlager-Kommission wird ihm viel abverlangen. REIMAR PAUL