LESERINNENBRIEFE :
Den Job erledigen die USA allein
■ betr.: „Bericht aus dem Reich des Bösen“, taz vom 21. 5. 14
Nein, Glenn Greenwald konstruiert kein „Reich des Bösen“; diesen Job erledigen die USA derzeit ganz alleine. Man kann die Sammelwut der USA, alle möglichen Daten zu speichern, auch nicht mit Orwells „1984“ vergleichen. Die technischen Möglichkeiten, über die die Dienste der USA verfügen, sind viel größer: Prism, X-keyscore, Boundless Informant und wie sie alle heißen. Es geht dabei nicht um die angebliche Terroristenbekämpfung, sondern um die Ausspähung der gesamten Bevölkerung, weltweit. Denn wer diese Informationen hat, hat Macht über Menschen. Diese Informationen kann man dann im Bedarfsfalle gegen ganze Bevölkerungsgruppen anwenden. Oder auch im Einzelfalle; wenn man von ausgewählten Personen die Handys abhört, sind diese Menschen potenziell erpressbar. Und ja, man kann diese Informationen auch dazu benutzen, Todeslisten zu erstellen und einen dreckigen Drohnenkrieg zu führen.
Übrigens und nur zur Erinnerung; Mister Snowden hält sich nicht freiwillig in Moskau auf. Die US-Regierung hat seinen Pass annulliert, während er unterwegs war. Und wie wir alle wissen, würde Mister Snowden gerne wieder zurückkehren in die USA, wenn er denn nicht als Verräter behandelt werden würde.
Ich halte es auch für einen billigen Journalismus, in diesem Zusammenhang die USA mit Russland zu vergleichen. Unrecht in den USA wird durch Unrecht in Russland nicht aufgewogen.
So ganz wohl scheint Hannes Koch aber offensichtlich angesichts der ungezügelten Datenerfassung der USA trotzdem doch nicht zu sein, denn zum Schluss empfiehlt er tatsächlich u. a. die Führung eines Papierkalenders. Damit wird Koch ganz sicherlich keinen effektiven digitalen Widerstand leisten können. Denn seine Daten werden trotzdem erfasst; jedes Mal, wenn er eine (unverschlüsselte) Mail schickt, wenn er ohne entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ins Internet geht und wenn er ein Handy benutzt.
Im Portrait „Eine Ikone wider Willen“, Seite 2, wird über eine amerikanische Occupy-Aktivistin, die wegen eines Besuches einer Demonstration zu 90 Tagen Knast in Rikers verurteilt worden ist, berichtet. Noch Fragen?! SABINE MEHLEM, Bremen
Tiergerecht ist das nicht
■ betr.: „Modernes Tierleben“, taz vom 20. 5. 14
Diesen Trend des Haustier-Abgebens habe ich auch im Bekanntenkreis erlebt. Beim Lesen der Reportage beschlich mich einfach das Gefühl: Dann kauf dir doch kein Tier, wenn sich andere darum kümmern sollen. Natürlich wird’s mit Tieren auch mal unbequem, wie eben mit anderen Mitgliedern einer Gemeinschaft. Denn selbst bei einem kleinen Tier muss man/frau sich doch ragen, ob man/frau dessen Bedürfnissen gerecht werden kann.
Ich kritisiere nicht die Anbieter/innen dieser Dienste – ohne Zweifel: gut den Markt beobachtet, clever reagiert. Aber das Ganze hat schon was Dekadentes für mich: „Auf Wunsch wird ein Filetsteak zubereitet.“ Tiergerecht ist das trotz allem nicht. Irgendwie haben sich da die Prioritäten in unserer Gesellschaft gewaltig verschoben.
Es wäre wirklich ein Fortschritt, wenn ich in der Zeitung lesen könnte: alle Kinder Berlins haben den für sie richtigen Betreuungsplatz. SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen
Ein mutiger Schritt
■ betr.: „Die EU ist nicht immer der Bösewicht“, taz vom 20. 5. 14
Noch etwas, wo die EU Vorbildliches geleistet hat – und dafür gelobt werden muss. Vor 20 Jahren wurde gegen den Widerstand vieler Gesellschaftskreise die EU-Bio-Verordnung eingeführt und rechtlich geklärt, was bio ist – und wer es auf Lebensmittel schreiben darf. Das war auch ein Eingriff in bestehendes Recht. Manche Produkte mussten sich umbenennen oder bio werden. Ein großes Lob für diese weitsichtigen Gesetze. Jetzt will die Kommission den Verbraucherschutz in einem weiteren Schritt verbessern. Nach der Prozesskontrolle (wo auf dem Papier kontrolliert wird, ob etwas biologisch gewachsen ist/hergestellt wurde) soll jetzt eine Produktkontrolle eingeführt werden. Was viele Verbraucher schon längst vermuten, nämlich die geringe Schadstoffbelastung der Bionahrung, soll jetzt überprüft und bestätigt und selbstverständlich auffällige Ware auch nicht unter dem Bio-Label verkauft werden. Ein mutiger Schritt und dafür gebührt der EU wieder Dank. An dieser Stelle entpuppen sich die deutschen Anbauverbände, die so gerne damit argumentieren, ihr „Bio“ wäre besser als das EU-Bio, mal wieder als Bremsklotz. Sie wollen verhindern, dass der Verbraucher auch wirklich schadstoffarme Produkte erhält. Verkehrte Welt? THOMAS WARNKEN, Bremen
Wer an Stanislau erinnert …
■ betr.: „Russinisches Theater am Ende der Welt“, taz vom 19. 5. 14
Wer an Stanislau (das heutige Iwano-Frankiwsk) erinnert, sollte nicht vergessen zu erwähnen, dass in dem damals kleinen galizischen Städtchen am 21.Oktober 1941, dem „Blutsonntag von Stanislau“, der SS-Hauptsturmführer Hans Krüger mehr als 10.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder erschießen ließ. Auch das gehört zur Vergangenheit der westukrainischen Stadt, deren habsburgisches Erbe und seine lebendige literarische Szene Sabine Herre in ihrer Reportage beschreibt. Hans Krüger blieb übrigens in der Bundesrepublik bis 1962 unbehelligt, obwohl er 1947 in Dijon wegen Kriegsverbrechen in Frankreich in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war. 1968 wurde er in Münster wegen 24.875fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt und 1986 entlassen. Er starb 1988.
EBERHARD SCHMIDT, Bremen