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Archiv-Artikel

Wowereit und seine Nibelungen

NACH DEM SPD-PARTEITAG

Wowereits wachsende Unbeliebtheit zieht die Umfragewerte der Partei in den Keller

Sie klatschten, waren begeistert, feierten ihn, als hätte er für die SPD noch eine Wahl gewonnen. Doch Klaus Wowereit, das langjährige Zugpferd der Berliner Sozialdemokraten, ist weit entfernt von solchen Siegen, auch wenn die Delegierten des SPD-Landesparteitags am vergangenen Wochenende davon träumen mochten. Es ist stattdessen ziemlich naheliegend, dass es seine wachsende Unbeliebtheit ist, die auch die Umfragewerte seiner Partei in den Keller zieht und sie weit hinter der CDU landen lässt.

Das Problem der Partei ist: Sie vergleicht ihn mit den SPD-internen Alternativen für den Berliner Regierungschefposten – und stellt zu Recht fest: Er ist immer noch besser als die anderen. Doch diese Sichtweise bringt die SPD nicht weiter. Natürlich hat Wowereit eine Menge Verdienste für die SPD und für Berlin, vor allem was das internationale Ansehen der Stadt angeht. Einen der ikonenhaftesten Bürgermeister weltweit nannte ihn der frühere Obama-Stabschef und heutige Bürgermeister von Chicago, Rahm Emanuel. Doch in Berlin und bei den Wählern ist das ganz klar überdeckt von den immer neuen Pannen beim Milliardenprojekt BER. Der SPD muss klar sein: Selbst ein im internen Vergleich schwächerer Nachfolger ist für sie in der Öffentlichkeit mit Blick auf die nächste Wahl besser.

Wowereit stattdessen beim Parteitag zu feiern erinnerte an die selbstzerstörerische Haltung der sagenhaften Nibelungen: Vor die Wahl gestellt, den – im Vergleich zu Wowereit zugegebenermaßen etwas weniger sympathischen – Siegfriedmörder Hagen von Tronje auszuliefern oder sich abschlachten zu lassen, wählten sie den Untergang. Das kann man echte Freundschaft und ehrenhaft nennen – politisch aber ist es unsinnig.

Was die SPD trotz ihres deutlichen Umfragerückstands noch von einem nibelungenhaften Untergang trennt und sie davon abhält, Wowereit zu opfern, sind die für sie immer noch günstigen Koalitionsmöglichkeiten. Selbst mit knapp über 20 Prozent könnte sie mit Rot-Rot-Grün weiterregieren und dabei als stärkste Kraft unter diesen drei sogar weiter den Regierungschef stellen. Das bedingt allerdings, dass die Grünen tatsächlich nie mit der CDU zusammengehen. Nach Schwarz-Grün in Berlin sieht es zwar derzeit wirklich nicht aus. Aber die hiesige CDU dachte auch mal, die SPD würde nie mit der Linkspartei-Vorgängerin PDS koalieren und könnte nicht ohne die Union – es kam bekanntlich anders. STEFAN ALBERTI