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Archiv-Artikel

Der etwas andere Weg

FERNSTUDIUM Rund 142.000 Studierende besuchen 453 verschiedene Fernstudiengänge. Die Bologna-Reform und die zunehmende Öffnung der Hochschulen machen den meist berufsbegleitenden Weg für viele attraktiv

Für einen Master muss man nicht unbedingt Abi oder Bachelor vorweisen

VON TILMAN VON ROHDEN

In diesen Tagen werden in ganz Deutschland Abiturprüfungen abgelegt. Von diesen Abiturienten werden mehr als die Hälfte an eine öffentliche oder private Hochschule wechseln. Dass sie ein Fernstudium aufnehmen werden, ist ziemlich unwahrscheinlich, denn akademische Fernstudenten bilden sich in aller Regel weiter, nehmen ein Anschlussstudium in Angriff oder verbinden das Fernstudium mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Abiturienten, wenn sie denn ein akademisches Studium aufnehmen, absolvieren dagegen in aller Regel ein grundständiges Studium an einer Präsenzuniversität oder -fachhochschule.

Ein Fernstudium wird oft mit Fernunterricht verwechselt. Der Unterschied ist gewaltig. Unter den rund 3.500 Angeboten für Fernunterricht für etwa 400.000 Teilnehmer sind die allermeisten nichtakademisch. Nach der aktuellen Statistik für das Jahr 2012 gibt es im akademischen Bereich 3 Fernuniversitäten, 12 Fernfachhochschulen und 52 Präsenzuniversitäten mit Fernstudienangeboten. Von diesen 67 Einrichtungen, die ein akademisches Fernstudium anbieten, sind 22 in privater und 45 in öffentlicher Hand. Nach dieser Statistik gibt es 453 Studiengänge, die von rund 142.000 Fernstudenten besucht werden. Zwei Drittel der Studierenden tun dies an einer öffentlichen Hochschule.

Der Trend gehe eindeutig zu anerkannten Abschlüssen, etwa Master oder Bachelor, meint Margot Klinkner, die stellvertretende Geschäftsführerin der Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen (ZFH). Diese Einrichtung unterstützt Fachhochschulen dreier Bundesländer bei der Etablierung und Durchführung von Fernstudiengängen. Das Angebot, ein Zertifikat statt eines anerkannten Abschlusses anzustreben, steige vergleichsweise langsam. Dies liege nicht zuletzt am zweistufigen Verfahren. Wer einen Bachelor habe, strebe später oft einen Master an. Nicht nur die Bologna-Reform habe das meist berufsbegleitende Fernstudium attraktiv gemacht, sondern auch die zunehmende Öffnung der Hochschulen. In Rheinland-Pfalz reichen etwa, so Klinkner, ein guter Berufsabschluss (Note: 2,5 oder besser) sowie eine zweijährige Berufserfahrung für die Aufnahme eines Studiums. Unter bestimmten Voraussetzungen könnten dort Kandidaten ohne Abitur einen Master-Abschluss machen, ohne einen Bachelor vorweisen zu müssen. „Von solchen Öffnungen profitieren insbesondere die Fernstudiengänge der Fachhochschulen“, sagt Klinkner.

Nicht nur Praktiker suchen im Fernstudium die Weihe der Wissenschaft. Auch gestandene Wissenschaftler wollen sich fortbilden. Dafür fühlt sich die Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF) zuständig. Dass Wissenschaftler ihre Weiterbildung im Fernstudium betrieben, liege nicht zuletzt am demografischen Wandel, sagt Ursula Bade-Becker, eine DGWF-Mitarbeiterin. Er führe dazu, dass sich die Studienbedingungen in manchen Regionen verschlechtert hätten. „Ein Fernstudium kann die unterschiedlichen Bedingungen teilweise egalisieren.“ Dies solle allerdings nicht heißen, dass eine wissenschaftliche Weiterbildung ohne Präsenzunterricht auskomme. „Die meisten unserer Zielgruppe werden sich wohl in einer Mischform aus Fern- und Präsenzstudium fortbilden“, glaubt Bade-Becker. Sie bedauert, dass es keine „einheitliche Suchmaschine“ für die wissenschaftliche Weiterbildung gibt.

Dies soll nicht bedeuten, dass Studenten Schwierigkeiten hätten, ein passendes Angebot zu finden. Schließlich existiert die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU), die sämtliche Angebote für Fernunterricht kennt und in einer (leider wenig komfortablen) Datenbank zusammenfasst. Das Wissen der ZFU beruht darauf, dass sie jeglichen Fernunterricht prüfen und genehmigen muss. Bei akkreditierten staatlichen Studiengängen beschränkt sich die Prüfung auf Formalien. So wird etwa geprüft, ob der Vertrag zwischen Hochschule und Student die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit zur Ratenzahlung vorsieht. Eine qualitative Prüfung des Angebots ist bei privaten Anbietern, die ein neues Fernstudium auf den Markt bringen wollen, obligatorisch.

Die Studenten scheinen mit ihrer Entscheidung für ein bestimmtes Studium offensichtlich zufrieden zu sein. Mindestens hat man diesen Eindruck, wenn man die Webseite fernstudium-infos.de besucht. Denn im dortigen Forum geht es nur selten um fachliche Fragen. „Dafür geht es umso häufiger um die mit einem Studium einhergehenden persönlichen Aufs und Abs, um Motivationskrisen und Studienerfolge“, sagt Markus Jung, der die Seite betreibt. „Ist die Entscheidung für ein bestimmtes Studium noch nicht gefallen, unterhalten sich die Studenten oft über die Reputation eines Abschlusses, über die Qualität der Betreuung oder den nötigen Zeitaufwand.“ Auf der Seite fernstudiumcheck.de können Studenten ebenfalls mittun. Dort geht es vor allem um die Bewertung von Studienangeboten. Das System vermisst sowohl die Anbieter wie auch einzelne Studiengänge auf der Basis der Erfahrungen von Studenten und Absolventen. Der Zweck der Seite sei es, so die Betreiber der Webseite, eine „authentische Grundlage“ für die Auswahl und den Vergleich von Studienangeboten zu schaffen.