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Archiv-Artikel

Warschau wird künftig liberal regiert

Der Kandidat der polnischen Regierungspartei PiS verliert die Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters

WARSCHAU taz ■ Kazimierz Marcinkiewicz werde als Kandidat für die Warschauer Bürgermeisterwahl gebraucht, erklärte Jarosław Kaczyński im vergangenen Juli, als er den beliebtesten Politiker des Landes als Premierminister absetzen und sich selbst mit dem Amt betrauen ließ.

Nun, fast fünf Monate später, steht der große Stratege hinter dem polnischen Rechtsruck vor einem Scherbenhaufen. Marcinkiewicz, nach wie vor einer der beliebtesten Politiker im Land, unterlag am Sonntag in der Stichwahl seiner weit weniger bekannten liberalen Herausfordererin Hanna Gronkiewicz-Waltz. Die Kandidatin der oppositionellen Bürgerplattform gewann mit 53,2 Prozent klar gegen Marcinkiewicz, der auf 46,8 Prozent der Stimmen kam. Die Wahlbeteiligung war mit über 53 Prozent für polnische Verhältnisse hoch.

Die Warschauer Bürgermeisterwahl war von den beiden großen politischen Konkurrenten in Polen, der rechtskonservativen Regierungspartei PiS und der rechtsliberalen PO, aber auch den polnischen Medien zu einem symbolischen Zweikampf stilisiert worden – ein Vorgang, der angesichts der Tatsache, dass nur jeder zwanzigste Pole in der Hauptstadt lebt, reichlich übertrieben scheint. „Die alte Herrschaft kommt zurück, dem müssen wir uns entgegenstellen“, kommentierte ein ratloser Jarosław Kaczyński das Resultat in der Wahlnacht. Expräsident Kwaśniewski dränge wieder an die Politikfront zurück, warnte Polens höchster Antikommunist.

Der immer noch hoch angesehene Expräsident Aleksander Kwaśniewski war am Donnerstag aus der politischen Versenkung aufgetaucht und hatte verkündet, er werde für Gronkiewicz-Waltz stimmen. Zuvor hatte es sich die PO mit der Linken verspielt, indem sie sich weigerte, mit ihr im Stadtrat zu koalieren. Offenbar wählten viele Genossen von zwei Übeln das kleinere.

Nicht viel besser als in Warschau sieht es für die Kaczyński-Partei PiS in den anderen polnischen Großstädten aus. Nur in 3 von 39 Städten über 100.000 Einwohner kann die Regierungspartei in den nächsten vier Jahren den Stadtpräsidenten stellen – darunter in Polens zweiter Millionenstadt Łódź. Selbst die bei den Parlamentswahlen vor 14 Monaten noch vernichtend geschlagene Linke stellt ebenso viele Stadtpräsidenten.

Dreimal besser schnitt die oppositionelle Bürgerplattform ab, die künftig neun Stadtpräsidenten stellt, darunter außer in Warschau auch in Danzig, Stettin und Lublin. Weitaus die besten Ergebnisse erzielten allerdings auf allen Ebenen unabhängige Kandidaten.

Damit zeigt sich, dass die Lokalwahlen nur bedingt als Referendum über die ersten 14 Monate der Kaczyński-Herrschaft betrachtet werden können. Im Vergleich zu Ungarn, wo Premier Ferenc Gyurscany nach einem Jahr Regierung im Oktober bei den Kommunalwahlen in 18 von 19 Regionalparlamenten eine klare Niederlage erlitt, ist die Position der Kaczyński-Zwillinge in Polen komfortabel. Kommentatoren in Warschau rechnen dennoch mit einer weiteren Vertiefung der Zweiteilung in ein rechtskonservatives Kaczyński-Lager und den Rest des Landes. PAUL FLÜCKIGER