Das entscheidende Detail
: Graphen, die die Welt bedeuten

VISUALISIERUNG Das Online-Tool Google Ngram Viewer durchsucht 5,2 Millionen Bücher nach Zeichenkettenhäufigkeiten – und erklärt uns so die Welt

Es gibt Google und Google. Das eine Google, das von konservativen (sie würden sagen: aufgeklärten) Menschen wahlweise als Datenkrake, Verlagsausbeuter, Hausfassadenfotografierer oder heimlicher Weltherrscher verleumdet wird. Und das andere Google, das von naiven (sie würden sagen: fortschrittlichen) Menschen für seine zahllosen Tools, mit denen Daten aufbereitet und rekombiniert werden, mit denen sich unser Blick auf die Welt im wahrsten Sinne des Wortes verändert hat, innig geliebt wird.

Aus den Google Labs, der semiöffentlichen Entwicklungsabteilung des Internetriesen, kommt jetzt wieder so ein Ding: Der Google Ngram Viewer (ngrams.googlelabs.com). Ein ngram ist dabei eine Folge aus n Zeichen. Nach ebenjenen Buchstabenfolgen können 500 Milliarden Wörter von 5,2 Millionen der für den Google-Books-Dienst digitalisierten Bücher durchsucht werden, auf Englisch, Deutsch und in vier weiteren Sprachen, von 1500 bis heute.

Das Ergebnis sind sehr schlicht anmutende Graphen, die uns aber eine kleine Kulturgeschichte erzählen. „Krieg“ liegt vor „Frieden“, „Gott“ vorm „Teufel“, dafür musste der „Mann“ nach jahrhundertelanger Dominanz um 1980 herum die „Frau“ an sich vorbeiziehen lassen. Vergleicht man Drogensorten, lässt sich der stete Abstieg des „Opiums“ verfolgen, man sieht ein saisonales Hoch von „Hasch“ und „LSD“ in den 70ern und von Kokain in den 20ern/30ern und seit den 80ern. Der Niedergang des „ß“ lässt sich genauso visualisieren wie die schleichende Verdrängung des „Sonnabends“ durch den „Samstag“. „Angst“ und „Zuversicht“ lagen bis 1880 fast gleichauf – seitdem hat sich die Angst vervierfacht während die Zuversicht stagniert … den Rest probieren Sie bitte selbst aus, aber Vorsicht: der Ngram Viewer kann hochgradig süchtig machen. MBR