„Entflechtung nötig“

LOBBYISMUS Grünen-Ökonom Gerhard Schick stellt Strategien gegen die „Machtwirtschaft“ vor

■ 42, Volkswirt, ist finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag und auf Finanzmärkte und Steuern spezialisiert.

taz: Herr Schick, Ihre These, dass Marktwirtschaft zur „Machtwirtschaft“ wurde, ist nicht neu. Wo liegt der Erkenntnisgewinn?

Gerhard Schick: Die Notwendigkeit, gegen die Macht einiger weniger Großkonzerne vorzugehen, ist größer denn je und spielt trotzdem noch immer kaum eine Rolle. Dabei hat die Vermachtung der Wirtschaft enorme Auswirkungen. Konzerne zahlen oft kaum Steuern, Großbanken können ihre Verluste an die Allgemeinheit abschieben. Es geht nicht mehr um das beste Produkt, sondern um Macht.

In Ihrem Buch führen Sie dieses Machtmonopol auf Rent Seeking zurück. Was bedeutet das?

Dass Konzerne durch Machtkonzentration nicht deshalb Gewinne machen, weil sie das bessere Produkt anbieten, sondern weil sie die politischen Regeln so verändern, dass sie davon profitieren. Wenn vor allem zählt, ob ich gute politische Kontakte und Ressourcen für eine Medienkampagne habe, wird die Idee der Marktwirtschaft ad absurdum geführt.

Plädieren Sie für weniger Staat?

Nein. Der Staat ist nur dann ein Problem, wenn er nicht die Interessen der Bürger vertritt, sondern die weniger Großkonzerne. Problematisch ist zum Beispiel, dass der Staat die Finanzmarktregeln so setzt, dass kleinere Unternehmen Schaden erleiden. Wenn es mehr Anreize gibt, durch superschnellen Handel an den Börsen Geld zu machen, als kleinere Betriebe mit Krediten zu versorgen, läuft etwas falsch.

Was schlagen Sie vor?

Wir brauchen die Möglichkeit, auch große Unternehmen zu zerschlagen – mit Hilfe eines Entflechtungsgesetzes. Wir brauchen ein transparentes Lobby-Register und nicht zuletzt eine echte Regulierung des Finanzmarktes.

Als die Grünen mitregierten, wurde die Solarindustrie massiv gefördert. Sind Subventionen in Ordnung, solange es um Ökologie geht?

Damals war das richtig. Die vier großen Energiekonzerne hatten den Markt unter sich aufgeteilt. Jetzt haben wir 25 Prozent erneuerbare Energien, und ein großer Teil wird von kleinen, dezentralen Erzeugern produziert. Außerdem haben wir die Förderung regressiv gestaltet, sodass sie automatisch abnimmt.  INTERVIEW: PS

Gerhard Schick stellt sein Buch „Machtwirtschaft – Nein Danke“ vor: 18 Uhr, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, Neuer Jungfernstieg 21, Raum 519