ABSCHIED VOM FLURTEPPICH
: Themenwechsel

Nie wieder über Mütter reden, ab jetzt gilt Ghettostyle

Der gemeine taz-Autor scheint sich gerade auf Wohnungssuche zu befinden. Mir geht es da nicht anders. Den Gedanken an eine taz-Wohngemeinschaft habe ich aber schnell wieder ad acta gelegt. Man stelle sich vor: vier oder mehr Autoren in einer Wohnung. Alle suchen nach Themen und machen dann ihre Themensuche zum Thema.

Zum Glück würde mir so etwas nie in den Sinn kommen, in Wirklichkeit ist dieser Beitrag hier mehr ein verzweifelter Schrei nach der Aufmerksamkeit der Wohnungsgesellschaften. Denn es heißt nun wohl oder übel: Willkommen Bruchbudenparade, willkommen schmierige Immobilienmakler.

Es ist für die weitere Entwicklung des Geistes durchaus relevant, in welchen Bezirk man zieht, also sei dieser Schritt wohl überlegt. Die Prenzlauer-Berg-Themen gehören wahrscheinlich endgültig der Vergangenheit an: Nie wieder über Mütter reden, ab jetzt wird im Ghettostyle berichtet. Keine fleischgewordenen Idealmenschen-Pop-ups mehr, wenn man die eigenen vier Wände verlässt, nie wieder mit Teppich bezogene Hausflure, goldene Klingelanlagen und mit moderner Kunst vollgestopfte Hinterhofremisen. Nie wieder wie Mao Zedong fühlen, wenn man die friedliebenden Indierock-Nachbarn getreu dem Motto: „Bestrafe einen, erziehe hundert“ mit der Erkenntnis: „Indierocker sind auch nur elitäre Emos!“ zurechtgestutzt hat. Stattdessen auf der Straße ungefragt Vorträge über Mao Zedong gehalten bekommen. Nie wieder den Schlüssel verlieren und im geheizten Hausflur des Nachbargebäudes schlafen, um von zwei schreienden Kleinkindern geweckt zu werden. Aber auch nie wieder den Schlüssel verlieren, auf der angrenzenden Zirkuswiese übernachten und von einem wild spuckenden Lama sowie einem mit Baseballkeule bewaffneten Zirkusmitarbeiter geweckt werden – das ist der Vorteil. JURI STERNBURG