: Madeira für den Dichterfürsten
EDLE TROPFEN Was Lüneburg mit Johann Wolfgang von Goethes Trinkgewohnheiten zu tun hat
Am Anfang stand eine Fundsache: „Sieh Goethe an“, heißt es in Hans W. Fischers „Schlemmerparadies“, erstmals ediert 1921, „der seinen Rotwein in Lüneburg nicht minder sorgsam wählte als seine Worte im Faust“. Ausgerechnet Lüneburg, weitab jeder Weinbauregion gelegen, ein Genussmittel-Umschlagplatz quasi vom Range jenes Hauptwerks der deutschen Literatur? Ausgehend von Fischers „Taschenbuch für Lebenskünstler“ ist der Lüneburger Universitätsbibliothekar Rainer Pörzgen der Verbindung des Dichterfürsten zur Hansestadt nachgegangen, und heraus kam nun das fünfte der „Lüneburger Hefte“, herausgegeben vom Verein Backsteinprojekt.
Wie „die Großen der Literatur nicht scharenweise nach Lüneburg gekommen“ seien, schreibt Pörzgen, so war auch Goethe nie selbst dort. In seinen nachgelassenen Dokumenten finden sich aber zwei Rechnungen von „Reincke u. Komp. (Weinhändler, Spedition, Lüneburg)“ aus den Jahren 1829 und 1830. Reincke indes, mitnichten Weinhändler, organisierte nur den Transport – bestellt hatte Goethe beim Händler Marstaller in Hamburg, wo er übrigens auch nie selbst war.
Dass Hamburger Händler ihre Warenströme ins Binnenland über Lüneburg verlaufen ließen, war damals üblich: Ehe in den 1870er Jahren Brücken über die Elbe gebaut wurden, brachten Schiffe die Handelsgüter nach Lüneburg, von wo aus sie über Land weiter reisten. Im Sommer 1829 wurden so auch „30 Boutt. alten Try Madeira“ nach Weimar geliefert, im folgenden Frühling bestellte Goethe weitere 20 Flaschen. Marstaller ließ 30 Flaschen senden, denn: „Bei 20 Boutt: würde es beinahe eben so viel Fracht und Kosten: als bei 30 Boutt: verursachen“; Goethe hatte keine Einwände.
Im Juli 1830 orderte er erneut 30 Flaschen Madeira und bat zudem um „einzelne Flaschen von süßen Dessertweinen, z. B. Tinto di Rota“. Auch diesmal war Marstaller großzügig: Geliefert wurden 32 Flaschen Dry Madeira, je zwei Flaschen Tinto de Rota, Tinto-Alicante, Malvoisir-Madeira und Cap Tinto sowie eine Flasche Paxaret. ALDI
Rainer Pörzgen: Wein für Goethe. Von Hamburg über Lüneburg nach Weimar – eine Spurensuche. Lüneburger Hefte #5, 2010, 36 S., 6,50 Euro. www.lueneburger-hefte.de