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Archiv-Artikel

Genmais bleibt geheim

In Nordrhein-Westfalen gibt es 22 geheime Gentechnik-Felder. CDU-Verbraucherschutzminister Uhlenberg erklärt sich für nicht zuständig. Naturschützer befürchten Wildwuchs von Genpflanzen

VON DIRK ECKERT UND MORITZ SCHRÖDER

Ob auf Nachbars Feld Genmais wächst, wissen viele Menschen im Land immer noch nicht. Der Grund: Landesumweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) hat nicht hartnäckig genug beim Bundessortenamt nachgefragt, kritisieren Umweltverbände und die Opposition im Landtag. In 22 Fällen, unter anderem in Biemsen, Borken, Gelder, Greven und Paderborn, wird immer noch geheim gehalten, wo genau die veränderten Samen ausgestreut wurden – mit ungeklärten Folgen für Landwirtschaft und Bevölkerung.

Wo genmanipulierte Pflanzen angebaut werden, ist seit 2005 veröffentlichungspflichtig. Die Standorte sind beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einsehbar. Unklar ist hingegen, wo vor 2004 genmanipulierte Samen gesät wurden. Die Landeregierung nannte im Oktober auf Anfrage der Grünen 42 Kreise und Gemeinden – unter Berufung auf das Bundessortenamt.

Die genauen Ortsangaben fehlen allerdings in 22 Fällen. So wurde zum Beispiel im Kreis Paderborn 1999 genveränderter Raps geerntet. Wo genau, verrät das Bundessortenamt nicht. „Raps kann sehr leicht auskreuzen, der Samen ist sehr lange keimfähig“, warnt Ralf Bilke vom BUND. Seine Befürchtung: Der gentechnisch veränderte Mais ist möglicherweise noch immer im Boden und wächst sogar irgendwo im 1.245,35 Quadratkilometer großen Kreis Paderborn. Da die ehemalige Anbaufläche nicht bekannt ist, kann das nicht überprüft werden.

Das Umweltministerium sieht dennoch keinen weiteren Handlungsbedarf. Minister Uhlenberg habe das zuständige Bundessortenamt gefragt, sagt sein Sprecher Markus Fliege. „Was wir mitgeteilt bekommen haben, haben wir veröffentlicht“, betont Fliege. „Wir müssen mit dem leben, was man uns mitteilt.“ Schließlich unterstehe das Bundesamt nicht Uhlenberg, sondern Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU).

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert jetzt vom Bundessortenamt genaue Angaben dazu, wo die 22 bislang unbekannten Gentechnikfelder liegen. „Es wird immer nur das zugegeben, was nicht mehr zu verheimlichen ist“, ärgert sich Bilke.

Bärbel Höhn, ehemalige NRW-Umweltministerin, warnt vor einer Verunsicherung der VerbraucherInnen: „Man muss sich nicht wundern, dass die Leute bei Gentechnik immer skeptischer werden, wenn ihnen Informationen vorenthalten werden.“ Höhn will erst nach ihrer Amtszeit, die 2005 endete, von den nicht registrierten Genfeldern erfahren haben. Johannes Remmel, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, wirft Uhlenberg vor, Geheimniskrämerei zu betreiben: „Das Land zieht keine Konsequenzen aus den bisherigen Informationslücken.“

Auch Svenja Schulze, Umweltpolitikerin der SPD im Landtag, findet: „Uhlenberg hätte mehr informieren müssen“, gerade weil er sich für mehr Genanbauflächen in NRW einsetze. Bilke vom BUND kritisiert einen intransparenten Politikstil: „Das Bundessortenamt hat eine eigene Politik gemacht und die Interessen des Saatgutherstellers Monsanto bedient.“

In Zukunft könnte es sogar wieder schwieriger werden, Felder mit genveränderten Pflanzen aufzuspüren, warnt Bilke. Denn mit dem neuen Gentechnikgesetz, das gerade in Berlin entworfen wird, werde die Transparenz wieder eingeschränkt. Der jüngste Entwurf aus dem Hause Seehofer sei ein „Angriff auf die gentechnikfreie Landwirtschaft“.