: Der Doktor in der Terror-Datei
Der Bundestag beschloss gestern, Polizei und Geheimdiensten bisher gespeicherte Angaben über Terror-Verdächtige zugänglich zu machen. Auch Ärzte und Familienmitglieder könnten als dauerhafte Kontakte in der Datei auftauchen
VON CHRISTIAN RATH
„Dem Netzwerk der Terroristen stellen wir ein Netzwerk der Sicherheit entgegen“, erklärte gestern der SPD-Innenpolitiker Klaus-Uwe Benneter. Der Bundestag beschloss nach jahrelangen Verhandlungen die Einrichtung einer Antiterrordatei, die den Informationsaustausch von Polizei und Geheimdiensten erleichtern soll. Innenminister Wolfgang Schäuble hofft, dass die Datei bereits zum Jahreswechsel arbeitsfähig ist.
In der Antiterrordatei werden Daten erfasst, die ohnehin bei den Sicherheitsbehörden vorliegen. Es ist also niemand betroffen, der nicht bereits von Polizei und Sicherheitsbehörden mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird. „Bisher dauerte der Austausch von Informationen Tage und Wochen, künftig geht das in Sekundenschnelle“, sagte der CDU-Abgeordnete und Ex-Polizist Clemens Binninger.
Zu jeder Person werden Grunddaten wie Name, Geburtsdatum und Anschriften gespeichert. Diese Grunddaten sind für die anfragende Behörde sofort sichtbar. Zusätzlich werden außerdem 17 Arten von „erweiterten Grunddaten“ erfasst, die eine schnelle Einschätzung der Person ermöglichen. Hierzu gehören Beruf, Religionszugehörigkeit, aber auch Waffenbesitz oder Aufenthalt in terroristischen Ausbildungslagern. Diese erweiterten Grunddaten sind nur in Eilfällen sofort einsehbar, ansonsten muss zuvor Kontakt zu der Stelle aufgenommen werden, die die Daten gesammelt hat, damit die Einschätzung erläutert werden kann. Erfasst werden in der Datei Terrorverdächtige aller Art, also nicht nur islamistische Gotteskrieger, sondern auch potenzielle Links- und Rechtsterroristen, ihre Unterstützer sowie gewaltgeneigte Extremisten.
Umstritten war vor allem die Aufnahme von bloßen „Kontaktpersonen“. Erst vor wenigen Tagen haben die Regierungsfraktionen daher im Gesetzentwurf klargestellt, dass ein „flüchtiger oder zufälliger Kontakt“ nicht ausreicht. Der Opposition ging das nicht weit genug: „Ein Familienmitglied oder ein Arzt ist kein flüchtiger Kontakt und kann deshalb weiterhin als Kontaktperson gespeichert werden“, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland. Er warnte vor der „Stigmatisierung“, die die Aufnahme in die Antiterrordatei bedeute.
Der Bundestag beschloss das „Gemeinsame-Dateien-Gesetz“ gestern mit den Stimmen der Regierungskoalition. Grüne und FDP waren zwar nicht grundsätzlich dagegen, wollten aber nur eine Indexdatei haben, aus der ersichtlich wäre, bei welcher Behörde sich weitere Informationen über einen Verdächtigen finden lassen. Die Linkspartei lehnte die Datei generell ab.
Beschlossen wurde gestern auch das Terrorismusbekämpfungs-Ergänzungsgesetz. Es verlängert die Gültigkeit von Antiterrorgesetzen von 2002 um weitere fünf Jahre. So haben Geheimdienste weiterhin Auskunftsrechte bei Telefonanbietern, Banken und Luftfahrtunternehmen, die teilweise noch erweitert wurden.