: Ein ganz weites Feld
GRÜNE BEIM VOLKSENTSCHEID
Welche Aufgabe hat eine Oppositionspartei im Parlament? Die Grünen haben auf diese Frage während der Debatte über das Tempelhofer Feld gleich mehrere Antworten gefunden. Man kann das Opportunismus nennen – oder Pragmatismus, schließlich erheben die Grünen den Anspruch auf die Oppositionsführerschaft. Sicher ist: Sie haben die Dynamik des Themas ebenso unterschätzt wie der Senat.
Auch kurz nachdem klar war, dass es zu einem Volksentscheid kommen würde, verteidigten die Grünen noch ihre Position: Es sollten Wohnungen entstehen auf dem Feld. Um das durchzusetzen, setzte sich die Fraktionsspitze für einen gemeinsamen Gesetzentwurf aller im Parlament vertretenen Parteien ein. Doch Mitte März scheiterten die Gespräche – und damit der Versuch der Opposition, inhaltlich an die Arbeit zu gehen.
In Phase zwei wagten die Grünen den ganz großen Spagat: Um nicht in einen Topf mit dem Senat geworfen zu werden, unterstützten sie formal das Bauverbot auf dem Feld – sahen dies aber nur als eine Laune der Bürger an. Denn selbst bei einem Erfolg der Initiative 100 % Tempelhofer Feld sollte schon am Tag nach der Abstimmung die Debatte über die Bebauung wieder anfangen. So erklärte Grünen-Chefin Bettina Jarasch Ende März: „Am 26. Mai werden wir dastehen und die Debatte neu beginnen!“ Ein krampfhafter Versuch, vom Image der Neinsager wegzukommen.
Nun hat die Initiative einen überraschend deutlichen Sieg errungen: Zwei Drittel stimmten für ein Bauverbot – wobei es keine Regeln gibt, wie lange ein vom Volk direkt beschlossenes Gesetz Bestand haben soll. Und was machen die Grünen? Sie reden nicht mehr von Wohnungen und feiern nur den Sieg über Wowereit. Opposition ist so einfach wie Wahlkampf: Man muss nur vergessen, was man vor Kurzem versprochen hat. BERT SCHULZ