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Archiv-Artikel

„Ein bisschen schräg“

AUSSTELLUNG Das Auswandererhaus in Bremerhaven zeigt Fotografien vom deutschen Wurstfest in Texas

Johannes Arlt

■ 29, ist gelernter Physiotherapeut und arbeitet seit 2006 als freiberuflicher Fotograf in Hamburg.

taz: Was interessiert Sie als Fotograf an einem Wurstfest in den USA, Herr Arlt?

Johannes Arlt: Als ich davon hörte, fand ich es im ersten Moment unglaublich witzig und ein bisschen schräg. Das hat für mich erst mal ausgereicht, um da hinzufahren.

Von außen betrachtet hat so ein deutsches Folklorefest in Texas doch vor allem Skurilitätswert.

Vor Ort habe ich aber gesehen, dass da viel mehr dahintersteckt. Die Deutschen tun sich ja relativ schwer, sich selbst zu feiern. Wenn also die Amerikaner das tun, dann ist das schon interessant. Das Wurstfest findet seit 150 Jahren statt, war ursprünglich von Wurstfabrikanten und deutschen Einwanderern initiiert. New Braunfels, der Ort in dem das ganze stattfindet, wurde auch von Deutschen gegründet.

Geht es bei so einem Fest dann nicht vor allem darum, ein unbestimmtes Gefühl von „Heimat“ zu konservieren?

Man muss das vor dem Hintergrund der deutschen Auswanderer-Geschichte sehen. Die ersten kamen vor 160 Jahren, um 1900 lebten 100.000 Deutsche in der Region in Texas. Sie waren dort auch sehr angesehen. Der Erste Weltkrieg hat das Blatt sehr gewendet, deutsche Schulen wurden geschlossen, die Menschen haben sich nicht mehr getraut, Deutsch zu sprechen. Der Zweite Weltkrieg war dann der Todesstoß für die deutsche Kultur im öffentlichen Leben dort. Vieles ist unwiderbringlich verloren. Heute wird die texasdeutsche Kultur vielfach von der mexikanischen abgelöst. Früher haben dort alle Geschäftspartner Deutsch gesprochen. Heute kommt man ohne Spanisch dort nicht mehr gut klar.

Die Idee des Wurstfestes …

… war, Geld zu verdienen und das Image aufzubessern. Heute ist es auch für den Tourismus wichtig – da kommen in zehn Tagen 120.000 Menschen und es werden Millionen an Dollars verdient. Aber die Menschen dort machen es schon mit Herzblut.

Was haben Sie in Texas über Deutschland gelernt?

Wir haben in Deutschland ja eine sehr intensive Integrationsdebatte, da ist es sehr interessant, sich mal anzugucken, wie sich Deutsche verhalten, wenn sie Einwanderer sind. Erst waren sie eine sehr geschlossene Gesellschaft, haben alles konserviert, was sie mitgebracht haben, auch ihre Sprache. Dann hatten sie große Probleme, weil ihr Image durch die Weltkriege zerstört wurde. Die Angst vor den Deutschen wurde auch auf ihre Vertreter in den USA projiziert. Das ist vergleichbar mit den Problemen, die Muslime hier in Deutschland haben.

INTERVIEW: JAN ZIER

Bis 31. März 2011, Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven