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Archiv-Artikel

Die politische Agenda Ungarns und das Mediengesetz

ARBEITSPROGRAMM Die Vorhaben der ungarischen Regierung sind kein Anlass zur Besorgnis. Doch das Mediengesetz wird die Präsidentschaft dauerhaft überschatten

Von GB

BERLIN taz | Die politische Agenda, die sich die ungarische Ratspräsidentschaft für die nächsten sechs Monate vorgenommen hat, klingt weder aufregend noch besorgniserregend.

Diktiert wird das ungarische Arbeitsprogramm zweifellos von der anhaltenden Eurokrise. „Wachstum und Beschäftigung“ stehen deshalb auf der ungarischen Prioritätenliste ganz oben. Ungarn werde den „ökonomischen Konsolidierungsprozess“ fortsetzen, heißt es lakonisch im Arbeitsprogramm. Beschäftigen dürfte die Ratspräsidentschaft im nächsten halben Jahr auch der EU-Gipfel zur Energiesicherheit, der im Frühjahr 2011 stattfinden soll. Als ehemaliges Ostblockland will Ungarn auch den baldigen Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien betreiben, die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in den Schengen-Raum und eine Annäherung der EU an die Staaten des westlichen Balkans vorantreiben. Besonderen Wert legt die Regierung in Budapest auf die Verabschiedung eines Entwicklungsplans für das gesamte Einzugsgebiet der Donau, der – so wörtlich – „die Identität Mitteleuropas“ stärken und Umweltschutz-, Verkehrs- und Tourismusfragen berühren soll.

Überschattet wird diese Präsidentschaft aber dauerhaft von dem am 21. Dezember 2010 verabschiedeten Gesetz, das alle Medien der Kontrolle einer staatlichen Aufsichtsbehörde unterstellt. Alle öffentlich-rechtlichen, alle privaten Fernseh- und Rundfunksender sowie Zeitungen und selbst Internetportale werden von der Aufsichtsbehörde für Telekommunikation (NMHH) überwacht. Die Präsidentin dieser Einrichtung, Annamária Szalai, wurde von Ministerpräsident Viktor Orbán persönlich auf neun Jahre bestellt. Laut der geänderten Verfassung darf die Präsidentin ohne jede parlamentarische Kontrolle Verordnungen und Vorschriften erlassen. Medien, die nicht „politisch ausgewogen“ berichten, können mit hohen Geldstrafen belegt werden. Zwar haben Betroffene die Möglichkeit, vor Gericht zu klagen, doch steht es dem Richter frei, die Geldbuße sofort oder erst nach Prozessende einzufordern. Eine solche Regelung garantiert entweder eine vorauseilende Selbstzensur oder den schnellen finanziellen Ruin eines inkriminierten Mediums. Die deutlichste Kritik an dieser Verordnung übte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. „Die Pläne verstoßen klar gegen den Geist und die Worte der EU-Verträge“, sagte Asselborn vor einer Woche. Es stelle sich die Frage, ob Ungarn „würdig“ sei, die Ratspräsidentschaft überhaupt zu übernehmen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europäischen Parlament, Daniel Cohn-Bendit, forderte die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Ungarn mit der Möglichkeit, dem Land das Stimmrecht in der EU zu entziehen. GB