: Ein ganz geselliger Ausnahmezustand
FUSSBALLGUCKEN In Sachen Public Viewing gilt bei WM „Sonderregelung für seltene Ereignisse“. Die macht Torjubel auch nachts möglich
■ Fanmeile auf der Straße des 17. Juni: Das größte Public Viewing in der Stadt wird es in diesem Jahr an 13 Tagen geben. Zu sehen sein werden die drei Vorrundenspiele mit deutscher Beteiligung, also die Spiele gegen Portugal (16. Juni, 18 Uhr), Ghana (21. Juni, 21 Uhr) und die USA (26. Juni, 18 Uhr) sowie alle Endrundenspiele. Den Streit um die Feiermeile hatten die Fußballfans für sich entschieden: Während die Fashion Week in den Wedding ausweicht, wird die Christopher-Street-Day-Parade am 21. Juni nur bis zur Siegessäule und nicht bis zum Brandenburger Tor ziehen.
■ In der Alten Försterei in Köpenick, Spielplatz von Union Berlin, wurden am Sonntag für die Presse die ersten der 750 Privatsofas von den Besitzern mit den entsprechenden „Wohnberechtigungsscheinen“ aufgestellt, auf denen die Fans die WM dann in Wohnzimmeratmosphäre schauen können. Wer bei dieser Sofa-Aktion seines nicht mehr unterbringen konnte, nimmt bei der WM eben einen der zehntausend Stehplätze im Stadion ein, und die Leinwand in der Alten Försterei ist größer als die auf der Fanmeile.
■ Das 11-Freunde-WM-Quartier wird wie gewohnt im Postbahnhof am Ostbahnhof zu finden sein. Dort gibt es samt Rahmenprogramm alle Spiele live zu sehen.
■ Im Haus der Kulturen der Welt feiert man die Copa da Cultura 2.0 nicht nur mit sämtlichen Spielen live auf Großbildleinwand, sondern auch mit Konzerten mit brasilianischen Künstlern.
■ Natürlich wird es auch im taz-Café in der Rudi-Dutschke-Straße 23 Public Viewing geben. Vormerken kann man sich schon mal das Eröffnungsspiel Brasilien – Kroatien (12. Juni) sowie die Deutschland-Spiele gegen Portugal (16. Juni, 18 Uhr) und die USA (26. Juni, 18 Uhr). (jut)
VON JENS UTHOFF
Okay, das bienenschwarmartige Summen der Vuvuzela wird uns diesmal erspart bleiben. So mancher mag sich noch an das Surren als ständiger Begleiter der Fußballweltmeisterschaft vor vier Jahren erinnern, wenn man an den Public-Viewing-Stätten in den Kiezen vorbeizog.
Eine große, laute Party wird die in knapp zwei Wochen beginnende WM in Brasilien aber so oder so. Und auch in Berlin werden sich natürlich an jeder Ecke, vor den Spätis und in den Biergärten die Horden tummeln, um dem Rasensport Nummer eins die Ehre zu erweisen.
Nur werden sich die Torjubelschreie dieses Jahr zumeist am späten Abend oder in der Nacht ereignen, denn knapp die Hälfte der Spiele bei der WM beginnt zu unserer Zeit nach 22 Uhr (an den Spielorten ist es fünf oder sechs Stunden früher als in unserer Zeitzone). Zehn Spiele beginnen in der Vorrunde gar erst um 24 Uhr, eines – Japan gegen die Elfenbeinküste – um drei Uhr.
Drohen also massiv Beschwerden und Anzeigen wegen Lärmbelästigung? Nein. Denn das Bundesumweltministerium hat für die Zeit der WM – wie bereits bei den Spielen 2006 und 2010 – die Lärmschutzbedingungen gelockert. Public Viewing ist demnach zwischen dem 12. Juni und dem 13. Juli nun nach 22 Uhr grundsätzlich und nach 24 Uhr in Ausnahmefällen gestattet.
Bis Mitternacht greift also für Veranstalter und Kneipiers diese Ausnahmeregelung – wer nach 24 Uhr noch Fußball-Partys in seinem Biergarten feiern will, muss dies mit dem Ordnungsamt des jeweiligen Bezirks abgestimmt haben. Üblicherweise darf – laut Gesetz – der Geräuschpegel in Wohngebieten nach 22 Uhr nur bei maximal 40 Dezibel (entspricht leiser Gesprächslautstärke!) liegen – der Geräuschpegel beim Fußballgucken an der frischen Luft liegt deutlich darüber (eine Vuvuzela schafft übrigens bis zu 130 Dezibel).
Bei WM generell lockerer
„Wenn sich jemand nach Mitternacht in seiner Ruhe gestört fühlt, dann sprechen wir natürlich mit den Veranstaltern“, sagt Michael Gassen, Sprecher der Berliner Polizei. Wer also keine Genehmigung für die Zeit nach 24 Uhr hat, muss im schlimmsten Fall die Übertragung abbrechen. Dann wäre auch ein Bußgeld des Ordnungsamts möglich. „Erfahrungsgemäß wird der Lärmschutz während der WM aber generell lockerer gehandhabt“, sagt Gassen.
Gassen klingt nicht so, als würde er überhaupt damit rechnen, dass sich viele Leute beschweren würden. Für die Polizei liegt der Fokus auf der Fanmeile, wo man verstärkt präsent sein wird. „Die Gespräche zum Sicherheitskonzept stehen aber noch aus. Hauptverantwortlich sind natürlich die Veranstalter.“
Auch Daniela Augenstein, Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, verweist auf die Zuständigkeit der Bezirke. Es habe ein Rundschreiben an die Ordnungsämter gegeben, in dem sie über die sogenannte Sonderregelung für seltene Ereignisse – so der plausible Titel des Bundesumweltministeriums – informiert wurden. Nun können die Bezirke selbst bestimmen, wie sie mit den Genehmigungen nach 24 Uhr verfahren.
Und den Rest, so mag man sich denken, soll der Ausnahmezustand WM regeln. Denn am Ende hocken wir doch wieder alle vor den Spätis und Spelunken und freuen uns, wenn die Spiele endlich beginnen.