: Exagenten leben gefährlich
Hat Russlands Geheimdienst mit dem Tod Alexander Litvinenkos zu tun? Fest steht: Mit gesprächigen Exmitarbeitern geht der FSB nicht eben sanft um
AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH
Michail Trepaschkin saß mit auf dem Podium, als Alexander Litvinenko im November 1998 von einem Attentatsauftrag berichtete: Der russische Inlandsgeheimdienst FSB, sein Arbeitgeber, habe ihm aufgetragen, den Oligarchen Boris Beresowski zu beseitigen, behauptete Litvinenko damals auf einer spektakulären Pressekonferenz in Moskau.
Auch Trepaschkin war Offizier des Geheimdienstes. Mehr als zwanzig Jahre hatte er im KGB und in der Nachfolgeorganisation FSB gedient. Auch er hatte vom FSB Morddrohungen erhalten, nachdem er den Dienst wegen eines Streits mit Vorgesetzten quittiert hatte. Trepaschkin wusste zu viel über Machenschaften im Innern der Behörde.
Damals kannten sich Litvinenko und Trepaschkin nur flüchtig. Der Kontakt wurde erst enger, als Trepaschkin begann, sich für die Explosion dreier Wohnhäuser in Moskau und Wolgodonsk in Südrussland im Herbst 1999 zu interessieren. In den Trümmern kamen mehr als 230 Menschen ums Leben. Täter und Hintermänner sind bis heute nicht bekannt. Der Kreml vermutete eine tschetschenische Spur und brach drei Wochen später den zweiten Tschetschenienkrieg vom Zaun. Damit empfahl sich Ministerpräsident Wladimir Putin als Nachfolger des amtsmüden Präsidenten Boris Jelzin.
Trepaschkin ging der Sache in enger Zusammenarbeit mit einem Komitee aus fünf Dumaabgeordneten nach. In einem Prozess gegen vermeintliche Helfershelfer sollte er überdies die Interessen von zwei Nebenklägern vertreten. Bei den Nachforschungen stieß er auf viele Hinweise, die es nicht ausschlossen, dass der FSB selbst in die Anschläge verwickelt war. Die Erkenntnis teilte er auch dem nach London geflohenen Litvinenko mit, der diese in sein Buch „Blowing up Russia: Terror from Within“ einfließen ließ. Einsicht in die Ermittlungen der Behörden hatte die Staatsanwaltschaft nicht gestattet.
Drei Tage vor Prozessbeginn wurde Trepaschkin in Moskau bei einer Verkehrskontrolle festgenommen und des illegalen Waffenbesitzes angeklagt. Ein Monat war vergangen, seit er erstmals öffentlich seine Vermutungen geäußert hatte. Seine Anwältin Jelena Lipzer hält die Anklage für fabriziert: Die Waffe sei untergeschoben worden, genauso wie die angeblich geheimen Unterlagen, auf die die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung gestoßen sein wollen. Trotzdem wurde eine Anklage wegen Landesverrats nachgereicht – und das Gericht verhängte eine härtere Strafe als von der Staatsanwaltschaft gefordert.
Seit Mai 2004 sitzt der Ex-FSB-Mann in einem Lager in der Nähe von Seligar in Sibirien. Dem Häftling gehe es gesundheitlich sehr schlecht, sagt Lipzer. Er leide an einer chronischen Bronchitis. Anträge auf eine intensive Behandlung und Verlegung in eine Kolonie, in der eine fachärztliche Betreuung möglich wäre, wurden vom Gericht abgelehnt, auch nachdem der Straßburger Gerichtshof im Vorgehen der Moskauer Justiz bereits Menschenrechtsverletzungen festgestellt hatte. Die Ärzte seien gezwungen worden, so Lipzer, Unbedenklichkeitsatteste auszustellen. Statt der Verlegung in eine Strafkolonie in der Nähe der Familie droht Trepaschkin Ende des Jahres die Umquartierung in ein Arbeitslager mit noch härterem Reglement. Die Verteidigung fürchtet einen Tod auf Raten.
Einige Mitglieder der Dumakommission wurden bereits von einem mysteriösen Schicksal ereilt. Den Abgeordneten Schtschichotschichin raffte eine rätselhafte Lebensmittelvergiftung hin, sein Dumakollege Juschenkow wurde vor der Haustür erschossen. Otto Lazis, ein inzwischen verstorbener liberaler Publizist, wurde auf offener Straße bewusstlosgeschlagen. Die beiden Nebenkläger haben in den USA politisches Asyl erhalten.