: SOS for Human Rights
Eine Kampagne bringt spielerisch die Realität von Flüchtlingen auf die Theaterbühne
Das Theaterstück der Kampagne SOS for Human Rights wird im Januar noch zweimal aufgeführt.
■ Wann?
6. Januar 18 Uhr
7. Januar 11 Uhr
■ Wo?
GRIPS MITTE im Podewil
Klosterstraße 68
U-Bhf. Klosterstraße (U2)
■ Im Netz:
Sie sind auf der Suche nach einem würdevollen Leben. Die Jugendlichen Jamila, Naisha und Kerim sind aus ihrer Heimat geflohen und stranden auf dem Weg nach Europa auf einer einsamen Insel. Dort teilen sie ihre Geschichten: Während Jamila mit ihrer Familie aus Deutschland nach Ghana abgeschoben wurde, lebte ihre Cousine Naisha dort schon seit ihrer Geburt in Armut. Gemeinsam beschließen sie, die Reise nach Deutschland anzutreten. Auf ihrem Weg begegnen sie Kerim, der Afghanistan verlassen hat, um in Europa eine menschenwürdige Arbeit zu finden. Seit Jahren ist er unterwegs und war bereits mehrfach in Gefängnissen oder Auffanglagern eingesperrt.
Mit ihrem Theaterstück will die Kampagne „SOS for Human Rights“ künstlerisch auf die Situation von Flüchtlingen an den Außengrenzen Europas aufmerksam machen. 2010 riefen Flüchtlingsinitiativen wie „Jugendliche ohne Grenzen“ gemeinsam mit dem Grips Theater Berlin die Kampagne ins Leben, mit der Forderung nach gleichen Rechten und Bewegungsfreiheit für alle Menschen. „Vielen ist nicht bewusst, dass jedes Jahr tausende Menschen ihr Leben an den europäischen Grenzen verlieren. Deshalb wollen wir das Thema an die Öffentlichkeit tragen“, erklärte der Regisseur Philipp Harpain. Seit 2000 arbeitet er im Grips Theater und ist Theaterpädagoge. Laut einer Erhebung der Menschenrechtsgruppe „Fortress Europe“ aus dem Jahre 2009 sind zwischen 1988 und 2007 11.756 Menschen an den europäischen Grenzen gestorben.
Entstanden ist die Idee für die enge Zusammenarbeit mit den Flüchtlingsjugendlichen aber schon 2005. Damals wandten sich 20 teils von Abschiebung bedrohte Jugendliche mit ihrer Bitte um Hilfe an das Grips Theater, das sich zuvor bereits mit der Situation von AsylbewerberInnen und MigrantInnen in Deutschland auseinandergesetzt hatte. Das Grips Theater rief daraufhin gemeinsam mit den jungen Flüchtlingen das Aktionsprogramm „Hier geblieben!“ ins Leben.
Zu den ersten Aktionen von „Hier geblieben!“ gehörte der Appell der Klasse 8.3 der Fritz-Karsen-Schule, der an die Innenministerkonferenz gerichtet war und das Bleiberecht für in Deutschland lebende Flüchtlinge forderte. Erstunterzeichnerin war Tanja Ristic, die damals in ihre Heimat nach Bosnien abgeschoben werden sollte. Auch ein Theaterstück wurde entwickelt und anlässlich der Innenministerkonferenz in Stuttgart aufgeführt. 3000 Menschen schauten zu.
„SOS for Human Rights“ ging aus dem Aktionsprogramm genauso hervor wie die Jugendgruppe „Jugendliche ohne Grenzen“, zu der auch der hessische Jurastudent Hassan Khateeb zählt, dem bis vor kurzem ebenfalls die Abschiebung drohte. Die Kampagne unterstütze den Appell von „Jugendliche ohne Grenzen“, in dem die Asyl- und Abschottungspolitik der EU kritisiert wird. Die Gruppe wiederum half Harpain und der Autorin Susanne Lipp beim Schreiben des Stücks und besuchte ebenfalls die Proben.
Doch die Erfahrungen der Jugendlichen sind nicht die einzigen Quellen, die in dem Stück reflektiert werden. Während ihrer Recherche stießen Lipp und Harpain unter anderem auf das Tagebuch eines Jugendlichen, der aus Deutschland abgeschoben wurde und der Fall der Familie Kpakou aus Cölbe. Bis auf den Vater wurden alle Familienmitglieder 2006 nach Togo abgeschoben. Seitdem lebt die Familie getrennt voneinander. „Die Recherche zu dem Stück war teilweise ein echter Horrortrip“, erklärte Harpain.
Es läuft nun seit November 2010 in Berlin und wurde bereits zehn mal außerhalb Berlins aufgeführt. Für 2011 sind Termine in Bremen und Leipzig geplant, aber auch in kleineren Städten. „Gerade in auf dem Land sind die Vorurteile gegenüber Migrantinnen und Migranten oft größer als in der Stadt“, sagte Harpain. Da kann es schon blitzen und funken, wenn im Anschluss an das Stück immer wieder diskutiert wird.
Das Theaterstück ist aber nur ein Teil der Kampagne. Harpain und sein Team erstellten ebenfalls eine Unterrichts-Broschüre zu dem Stück, um Schulklassen das Thema näher zu bringen. Zudem plant die Kampagne den Appell zum Bleiberecht in andere Sprachen zu übersetzen und in Europa zu verbreiten. Eine Anfrage ging an die Grünen-abgeordnete Franziska Keller, um das Stück im EU-Parlament aufzuführen. „Wäre toll, wenn das klappt“, kommentiert Harpain.
Wer die Kampagne unterstützen will, kann den Appell unterzeichnen und Veranstaltungen mit organisieren. Da sich die die Mitglieder der Kampagne nicht regelmäßig treffen, ist es notwenig sich an Harpain oder das Grips Theater zu wenden. Es wird im den kommenden Monaten mehrmals im Grips Mitte im GRIPS Mitte aufgeführt. Schulen sinde ebenfalls eingeladen, das Stück in die eigene Turnhalle oder Aula zu holen.
In dem Stück werden Jamila, Naisha und Kerim übrigens nicht gerettet. Diese Insel hat es auch nie gegeben, sie ist eine Idee der Hoffnung. Genau wie die Forderung der Jugendlichen ohne Grenzen, Fluchtwege freizuhalten. LUKAS DUBRO