Stromkonzerne auf Kohlesuche

Die steigenden Strompreise machen die Nutzung der klimaschädlichen Braunkohle wieder attraktiv. Der schwedische Vattenfall-Konzern und die Mibrag erweitern ihre Tagebaupläne in Ostdeutschland. Dagegen regt sich jetzt Widerstand

AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH

Ostdeutschland sei ein Musterland für regenerative Energien, und die „Energiewende“ sei ein „Jobmotor“, behauptete in diesen Tagen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) in Leipzig. Zeitgleich geht Vattenfall einen Schritt zurück in die Kohlezeit. Der schwedische Energiekonzern, dessen Chef seit vergangener Woche Klimaschutzbeauftragter der Bundesregierung ist, will zusätzlich zwei Braunkohle-Tagebaue in der Lausitz erweitern, kündigte Vorstandssprecher Reinhardt Hassa an.

So soll der teilweise schon rekultivierte Tagebau Welzow-Süd weiter aufgefahren und der Tagebau Nochten in Richtung des Ortes Schleife vorangetrieben werden. 500 Millionen Tonnen Braunkohle sollen die Versorgung der Kraftwerke über das Jahr 2030 hinaus sichern.

„Vattenfall steht Innovationen im Weg“, kommentierte der sächsische grüne Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi das Vorhaben. Die Zukunft und auch die Arbeitsplätze gehörten erneuerbaren Energien und verbesserter Energieeffizienz. Die Pläne seien das Ergebnis „marktverzerrender Subventionen“. Das neue Kraftwerk Boxberg II erhält Emissionsrechte von seiner Inbetriebnahme im Jahr 2011 an für 14 Jahre praktisch geschenkt. Lichdi rechnet vor, dass dies bei einem jährlichen Kohlendioxidausstoß von 4 bis 5 Millionen Tonnen einer indirekten Subvention von 1,4 Milliarden Euro entspricht. Der sorbische Landtagsabgeordnete Heiko Kosel von der Linksfraktion hatte bereits die weitere Inanspruchnahme von Siedlungsgebieten der slawischen Minderheit kritisiert.

Vattenfall-Chef Josefsson verteidigt die Nutzung von Kohle als Energieträger als alternativlos. Er will sie aber durch Abtrennung und Lagerung des bei der Verstromung anfallenden Kohlendioxids in der Erde klimafreundlicher machen. Ob die allerdings bahnbrechende Innovation eines CO2-freien Kraftwerkes gelingt, ist derzeit noch nicht absehbar. Vattenfall betreibt im Kraftwerk Schwarze Pumpe zumindest gegenwärtig nur eine Modellanlage.

Die weltweite Energieverteuerung lässt auch andere Stromkonzerne wieder auf die Suche nach einheimischer Braunkohle gehen. Auch die in amerikanischer Hand befindliche Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag will unter anderem südlich von Leipzig weiter baggern. Damit soll die Kohleversorgung des Kraftwerkes in Profen an der Landesgrenze zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt gesichert werden. Bei Lützen laufen derzeit Probebohrungen. Sogar ein weit entfernter Aufschluss bei Lübthen in Mecklenburg-Vorpommern ist im Gespräch.

Gegen den gleichfalls von der Mibrag geplanten langfristigen Abbau von fast einer Milliarde Tonnen im sachsen-anhaltischen Landkreis Aschersleben-Staßfurt regt sich allerdings inzwischen Widerstand. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz koordiniert ein Bündnis von Bürgerinitiativen, die etwa 20.000 betroffene Bürger vertreten.