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Archiv-Artikel

Die arabische Welt ist erleichtert

Der Baker-Bericht mit seinem Eingeständnis des Scheiterns der USA im Irak wird in vielen Ländern des Nahen Ostens überwiegend positiv aufgenommen

AUS KAIRO Karim El-Gawhary

Die arabische Welt atmet kurz auf, befriedigt – und auch mit ein wenig Schadenfreude: Erst gibt der neue amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates öffentlich zu, dass die USA den Krieg im Irak nicht gewinnen. Dann veröffentlicht die Irak-Studiengruppe unter dem Vorsitz des ehemaligen US-Außenministers James Baker ihre Empfehlungen, um „die ernste und sich verschlechternde Irakkrise“ doch noch in den Griff zu bekommen. Erstmals gesteht Washington das Irak-Fiasko öffentlich ein. Die arabischen Medien geben sich erleichtert.

„Der Bericht hat zwar für den Irak keine sichere Medizin präsentiert, aber er stellt doch eine Gelegenheit dar, die Regierung Bush von der schweren Krankheit des Abstreitens und Leugnens zu heilen“, schreibt die libanesische Tageszeitung Daily Star. „Der Bericht ist nichts weniger als eine Anklageschrift gegen die bisherige US-Strategie im Irak“, kommentiert das Blatt. „Der neue Kurs, der eingeschlagen werden muss, ist zwar auch weiterhin unklar, klar ist nur, dass der gegenwärtige aufgegeben werden muss.“

Die überregionale arabische Tageszeitung al-Hayat war die Entwicklung eine spöttische Karikatur wert. Bush senior sitzt mit aufgeschlagener Zeitung und Schlafanzug im Sessel. „Hör endlich auf Onkel Baker“, wirft er seinem Sohn George W. Bush entgegen, der wie ein gemaßregelter Schüler vor seinem Vater steht.

Die Bestandsaufnahme der Baker-Kommission über die Lage im Irak wird in den arabischen Medien meist als „ehrlich“ oder „selbstkritisch“ anerkannt. Willkommen geheißen wird vor allem die Empfehlung, Syrien und den Iran mit in eine Lösung der Irakkrise einzubeziehen – trotz Skepsis, ob Bush diesem Vorschlag tatsächlich folgen wird.

Die irakische Regierung selbst gab sich zunächst vorsichtig optimistisch. Die Empfehlungen stimmten mit dem irakischen nationalen Interesse überein, ließ der irakische Vizepremier Barham Saleh verlauten. Auch Sadik al-Rikabi, ein Berater des irakischen Premiers Nuri al-Maliki, bezeichnete die Empfehlungen als „generell positiv“.

Der syrische Vizepräsident Faruk Scharaa gab sich selbstbewusst. „Ohne uns wird es schwer, eine Lösung im Irak zu finden“, sagte er. „Wir sind aber auch nicht so arrogant und glauben, dass wir das Irakproblem alleine lösen können. Die internationale Gemeinschaft als Ganzes könnte sogar daran scheitern“, erklärte er und setzte zum Seitenhieb gegen Washington an. „Lasst die Amerikaner einfach ein wenig bescheidener werden und nicht mehr wählerisch sein, von wem sie Hilfe annehmen.“

Auch Irans Außenminister Manutschehr Mottaki genoss das US-Eingeständnis iranischer Unabkömmlichkeit sichtlich: „Ein Beschluss der USA, sich aus dem Irak zurückzuziehen, bedarf keiner Verhandlungen mit dem Iran oder anderen Ländern der Region“, meinte er süffisant.

Als signifikant wird zudem angesehen, dass der Bericht die Lösung der Irakkrise auch mit der Lösung anderer Konflikte in der Region, insbesondere dem israelisch-palästinensischen Konflikt, verbindet. Dem Bericht nach soll Israel direkte Gespräche mit Syrien, dem Libanon und den Palästinensern aufnehmen, um auch die Lage im Irak zu entschärfen.

Nabil Abu Radeina, der Sprecher des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas, gab sich zufrieden über „die amerikanische Anerkennung, dass die Lösung der Palästinenserfrage den Beginn der Lösung aller Krisen im Nahen Osten darstellt“.

Ist die arabisch-iranische Befriedigung über die amerikanische Einsicht in die Notwendigkeit eines Kurswechsels hoch, herrscht doch auch die Sorge, dass es sich nur um einen „Kurswechsel light“ handeln könnte. Das gilt ganz besonders für die Empfehlung der Baker-Kommission, dass sich die US-Kampftruppen im Irak mehr zu Ausbildungstruppen für die irakische Armee wandeln sollen.

Der arabische Militärexperte Munser Suleiman bezweifelte im Interview mit dem arabischen Fernsehsender al-Dschasira, dass es im Irak heute wirklich um die Kampffähigkeit der irakischen Armee geht. „Das Problem ist, dass es heute im Irak keine nationalen Sicherheitskräfte gibt, die jenseits konfessioneller und ethnischer Gesichtspunkte das Land verteidigen“, glaubt Suleiman. Tatsächlich existiert im Moment nur eine einzige irakische Armeedivision mit gemischter Zusammensetzung. So könnten die US-Truppen schlimmstenfalls damit enden, die irakischen Milizen im Gewand irakischer Militär- und Polizeiuniformen besser auf einen Bürgerkrieg vorzubereiten.

Ein anderer arabischer Kritikpunkt ist, dass die Aufständischen im Irak nicht explizit als Verhandlungspartner anerkannt werden. Wie können die Empfehlungen der Baker-Kommission allein mit einer irakischen Regierung umgesetzt werden, deren Einfluss kaum über die grüne Zone in Bagdad hinausreicht? „Der Bericht ignoriert die Aufständischen, den wichtigsten Spieler im Irak, und fordert nicht klar und deutlich zum Dialog mit ihnen auf“, kommentiert die in London erscheinende arabische Tageszeitung al-Quds al-Arabi. Jetzt rächt sich, dass die offizielle US-Politik den Kampf gegen die Aufständischen im Irak, auch jenseits der Al-Qaida-Gruppierungen, als Teil des Antiterrorkampfes deklariert hat. Ein neuer Ansatz würde jetzt womöglich zu sehr an den ideologischen Grundlagen des Antiterrorkampfes rütteln. Damit wäre der Spielraum der Baker-Kommission eindeutig überschritten.