: Hafen für Hafen
AUS ISTANBULJÜRGEN GOTTSCHLICH
Mit einem neuen Vorschlag zu Zypern hat die türkische Regierung gestern überraschend wieder Bewegung in die Krise um die Beitrittsverhandlungen mit der EU gebracht. Kurz vor dem EU-Außenministertreffen am kommenden Montag griff Ankara einen Vorschlag der finnischen Ratspräsidentschaft teilweise auf und will nun einen Hafen für die griechischen Zyprioten öffnen. Im Gegenzug soll dann, wie von Helsinki vorgeschlagen, der nordzypriotische Hafen Famagusta nicht länger gesperrt bleiben. Wenn später dann auch der nordzypriotische Flughafen Ercan geöffnet wird, will die Türkei Südzypern Zugang zu ihren Flughäfen ermöglichen.
Gleichzeitig drängt die türkische Regierung massiv darauf, dass endlich die Verhandlungen zwischen griechischen und türkischen Zyprioten über eine politische Lösung wieder aufgenommen werden. Denn nur dann bestünde die Chance, dass der Dauerstreit um Zypern nicht zu einer ständigen Belastung der Beitrittsverhandlungen würde. Ankara schlägt vor, dass die Zypern-Verhandlungen unter Moderation der UNO bis Ende 2007 abgeschlossen sein sollen. Bislang ist vorgesehen, dass die UNO – nach dem Wechsel des Generalsekretärs Ende des Jahres – ab März versuchen soll, eine neue Verhandlungsrunde in Gang zu bringen. Seit die griechischen Zyprioten im Frühjahr 2004 per Referendum einen UN-Vorschlag zur Wiedervereinigung abgelehnt hatten, finden keine Gespräche mehr statt.
Mit diesem Schritt rückt die Türkei von ihrer bisherigen Haltung ab, dass die EU zuerst die Isolation des zyprischen Nordteils beenden solle, bevor sie die Zollunion mit Südzypern umsetzt, und stimmt damit im Prinzip den finnischen Vorschlägen für eine Zug-um-Zug-Lösung zu. Ministerpräsident Erdogan und Außenminister Gül hoffen, damit die angekündigte teilweise Aussetzung der Beitrittsverhandlungen abzuwenden.
Die ersten Reaktionen in der Türkei sind gespalten. Während die meisten EU-Befürworter froh sind, dass die Regierung von ihrer starren Haltung abrückt und nun versucht, das Augenmerk der EU stärker auf die Dringlichkeit einer Lösung für Zypern zu richten, bemängeln andere Kommentatoren, dass das jetzige Angebot in der Sache ein sehr schlechter Deal sei.
Für die türkischen Zyprioten, deren Exportpotenzial hauptsächlich aus Südfrüchten besteht, wäre die Öffnung ihres Hafens eher ein symbolischer Akt. Umgekehrt würden die griechischen Zyprioten dank des Zugangs zum wichtigen türkischen Mittelmeerhafen Mersin die Gelegenheit bekommen, ihre Tankerflotte an die große Ölpipeline Baku–Ceyhan anzudocken, und könnten damit dann richtig Geld verdienen. Weil andererseits die einzige relevante Einnahmequelle für die türkischen Zyprioten der Tourismus ist, besteht die Türkei auf einer Öffnung des Flughafens Ercan. Nur so würden Direktflüge in den Norden möglich, könnten die Besucherzahlen steigen. Noch gehören die Küsten Nordzyperns zu den wenigen kaum erschlossenen Stränden am Mittelmeer.
Der Vorschlag ist vom Außenministerium bislang noch nicht offiziell bestätigt worden und sollte offenbar auch zunächst erst einmal der gestern tagenden EU-Botschafterkonferenz vorgelegt werden. Er war offenbar selbst im Kabinett vorab nur im kleinen Kreis diskutiert worden, um nicht schon im Vorfeld in der türkischen Öffentlichkeit in die Kritik zu geraten. Nach Angaben des Nikosia-Korrespondenten des türkischen Senders NTV hat ein Sprecher der Regierung Papadopoulos den türkischen Vorschlag umgehend zurückgewiesen und von einem diplomatischen Scheinmanöver gesprochen. Auch Griechenland besteht auf einer vollständigen Öffnung aller türkischen Flug- und Seehäfen.