Ein Kuss – und Schluss

Sie ist 32 und hat eine lange Karriere in der rechten Szene Baden-Württembergs hinter sich. Doch das soll nun der Vergangenheit angehören – denn sie hat sich in einen Mann verliebt, der nicht ins rechte Weltbild passt. Ein Ausstieg mit Starthilfe

von GESINE KULCKE

Der Pförtner im Landeskriminalamt Baden-Württemberg nimmt den Hörer ab, wählt die Nummer des Pressesprechers. „Herr Haug? Sie ist da.“ Er legt den Hörer wieder auf. „Geben Sie mir Ihren Personalausweis und nehmen Sie im Foyer Platz. Mit der Besucherkarte können Sie die Tür öffnen. Einfach einstecken, und wenn es grün aufleuchtet, durchgehen.“ Die Karte hat einen Schnappverschluss, wie Hosenträger, die heute kein Mensch mehr trägt. In einem Schaukasten liegt ein Regenschirm, daneben steht eine Tasse; Schirmmützen und ein Radio mit LKA-Aufdruck gibt es auch.

Eine Frau in einem enganliegenden Strickpullover kommt ins Foyer. Sie hat sich die Haare blond gefärbt. Schon oft. Die Haarspitzen sind ganz ausgetrocknet. Das Gesicht ist farblos. Zwischen die orangebraunen Fensterrahmen des LKA-Plattenbaus fällt wenig Licht. „Frau …“ Sie überlegt kurz. „Sie wollen zu Herrn Haug?“ Ein Nicken, und sie läuft los, ruft den Fahrstuhl. Ein Kollege wartet schon. Sein Oberkörper ist kräftig, sehr kräftig. Sein schwarzes T-Shirt wirkt auf den Muskeln wie ein eingelaufenes Mädchenturnhemd. Sein Gesicht kommt aus dem Sonnenstudio, die Frisur von einem militanten Friseur. Die Haare einfach abrasiert. Drei, vielleicht fünf Millimeter. Die Fahrstuhltüren öffnen sich, schließen sich. Es ist eng, keiner spricht.

Wie sie wohl aussieht, die Aussteigerin? Der Pressesprecher hat sie nicht beschrieben, als er vor zwei Wochen anrief und meinte, er habe etwas. „Eine Frau. So ein Interview hatten wir noch nie.“ Der eigentliche Plan war Klinkenputzen in der schwäbischen Provinz. Immer Kommissar Rüdiger Schilling und seinem Kollegen Frank Buchheit hinterher. Die zwei gehören zur BIG Rex, der Beratungs- und Interventionsgruppe Rechtsextremismus. Aber diesen Plan, den ursprünglichen, hat Horst Haug sofort abgelehnt. Dabei würde Kommissar Schilling gerne zeigen, wie das Klinkenputzen funktioniert. Denn dass Aussteiger angeworben werden wie Käufer von Staubsaugern, ist in Deutschland einmalig. Die Regel ist eine Hotline: Wer aussteigen will, kann ja anrufen.

„Wir sind da offensiver“, sagt Kommissar Schilling, „und würden das gerne vorführen, damit man sieht, dass wir sauber vorgehen und nicht gegen die Leute ermitteln. Dann würden wir vielen die Angst vor unserem Programm nehmen. Aber es gibt Ausstiegshelfer, die waren schon mit Foto im Internet, auf rechten Seiten. Und das möchte ich nicht: ein Foto von mir und der Hinweis, wo ich wohne.“

Die Frau mit dem enganliegenden Strickpullover und den blonden, ausgetrockneten Haarspitzen bleibt vor Horst Haugs Büro stehen. Die Tür steht offen. Horst Haug streckt den Kopf raus, dann die Hand. Kommissar Schilling und die Aussteigerin sitzen an einem weißen Tisch, sicher an die Wand gelehnt, vor ihnen stehen halbleere Kaffeetassen. Der erste Eindruck: Die Aussteigerin sieht gut aus, wirkt selbstbewusst. Dabei steht in den Büchern von Klaus Farin und Kirsten Bruhns, dass Frauen, die sich der rechten Szene anschließen, ihre Weiblichkeit ablehnen, sich hässlich fühlen und in der Clique Schutz und Selbstaufwertung suchen.

Kaffee?“, fragt Horst Haug. Es plätschert aus der Thermoskanne in die Tasse. „Zucker und Milch stehen dort.“ Die Tetrapackung ist fast leer, der Raum zu warm und zu eng. Horst Haug schlägt seine etwas zu kurzen, untrainierten Beine übereinander. „Und? Wie haben Sie sich das jetzt vorgestellt?“ – „Geht auch ein Interview unter vier Augen?“ – „Nein“, sagt Kommissar Schilling. „Ein Ausstieg ist immer mit Unsicherheiten verbunden. Ich muss dafür sorgen, dass sie anonym bleibt.“

Horst Haug bleibt auch sitzen, seinen Schreibtisch immer im Blick. Das Mikrofon ist gerade aufgebaut, da klingelt sein Telefon zum ersten Mal. „Ja? Einunddreißig, zweiunddreißig brauchen Sie.“ Haug hebt die Stimme. „Okay. Alles klar. Kein Problem.“ Er haut den Hörer wieder auf die Gabel, hört die erste Frage an die Aussteigerin: „Wie alt sind Sie?“ – „32.“ – „32. Gut. Vielleicht können wir mit der Begegnung gleich anfangen. Es war also nicht der klassische Ausstieg, wie hat denn Ihre erste Begegnung stattgefunden?“ – „Ich habe im Internet nach der Adresse von BIG Rex gesucht, eine E-Mail geschickt. Erst kam eine Mailantwort, dann Telefonkontakt und das erste Treffen.“ Irgendwo in einem Café. Kommissar Schilling – heute ganz der Büromensch, feingliedrig, in Anzug und mit Brille – hat nie zusammen mit Buchwald an ihrer Tür geklingelt. Die Aussteigerin hat nie erlebt, wie die beiden sportlich gekleidet – damit meinen sie: in Jeans und Pulli – vor ihrer Tür stehen und Kontakt aufnehmen.

„Die Empfängerorientiertheit“, so erklärt es Kommissar Schilling, „ist das A und O. Das heißt zwar nicht, dass ich deswegen kurze Haare habe, und auf keinen Fall, dass ich mit schwarzer Hose oder gar in einem Lonsdale-Pulli auftauche, aber wenn ich da im Anzug stehe, werde ich nicht unbedingt ernst genommen.“ Auch die ersten Worte überlegt Schilling sich genau. Welche das sein könnten, sagt er nicht, aber: „Wenn ich an die Tür laufe, klopfe und brülle: ‚Aufmachen, Polizei!‘, dann wäre das nicht unbedingt das Ideale. Man muss schon gewisse Techniken anwenden, um erfolgreich zu sein. Ein Vorwerk-Vertreter macht’s ja auch.“

Der Text, mit dem das Ausstiegsprogramm verkauft werden soll, ist vielschichtig. Wie die Szene. Die Aussteigerin hat lange, braune Haare. Sie trägt einen roten Kapuzenpullover, die Stimme ist klar wie die einer Spielführerin auf einem Volleyballfeld die Augen sind wach. Nur das Tattoo um ihren Mittelfinger hat etwas Ungewöhnliches. „Häufig“, erläutert sie, „werden die Rechten als dumme, trinkende Idioten dargestellt. Leider sind sie ja auch zum Teil so. Trotzdem steht hintendran der Mensch und warum er trinkt, warum er seine Probleme hat, warum er in der rechten Szene ist.“ Der Mensch bei ihr hintendran scheint leicht zu erkennen, auch wenn sie sagt, sie habe früher ernsthaft von einem Großdeutschland geträumt. Es ist kaum vorstellbar, dass sie mal Mitglied der Deutschen Volksunion war und später in die Nationalistische Front wechselte, „weil das in der DVU alles zu eintönig und zu langweilig war. Die haben immer nur von der Vergangenheit geredet. Die NF war moderner. Da wurde über das gesprochen, was junge Leute bewegen können, wie man Deutschland neu strukturieren kann, politisch.“ Wie das genau aussehen sollte, weiß sie jetzt nicht mehr. „Damit beschäftige ich mich nicht mehr.“

Sie muss da reingerutscht sein. „Reingerutscht? Ich bin doch nicht blöd. Mich muss keiner aus dem Sumpf rausholen.“ Sie klopft mit der Hand auf den weißen Tisch. Das Tattoo um ihren Finger hat Schnörkel, wie die Spitze einer Gardine. Die Politik war ihr Ding. Sie war Mitglied der Wiedervereinigungsgesellschaft, die „verlorenen deutschen Gebiete“ waren ihr Thema. Sie hat Bücher darüber gelesen und Referate dazu gehalten. Sie hat Ortsgruppen mitgegründet. Einmal in der Woche traf man sich. „Wir haben damals oft das Thema Frauen gehabt, und ich hab auch dazu Referate gehalten: über rechte Gewalt gegen Frauen. Das haben die natürlich nicht gerne gehört.“ Sie sagt, sie sei oft angeeckt bei den Leuten, bei den Extremen und den Gewalttätern, die Asylbewerberheime anstecken. Sie war nicht auf den Vollsaufpartys, stürmte keine Discos. „Mit fünfzehn, sechzehn sind wir auf irgendwelche Partys und haben die Leute gestört, aber einfach nur durch unsere Anwesenheit.“ Sie hat sich nie geprügelt. Aber zugesehen, wie andere prügeln.

Haugs Telefon klingelt, er steht auf, greift nach dem Hörer, meldet sich mit einem viel zu lauten Ja, während sie von Kameradschaftskreisen spricht: „Die wollen, dass die Leute gebildet sind und Bücher lesen.“ Haug, noch immer am Telefon, fährt dazwischen: „Wir haben noch Schriftsachen, klar …“ Sie versucht, gegen ihn anzureden: „Die Extremen habe ich immer mehr ausgesiebt, während der fünfzehn, sechzehn Jahre, die ich bei den Rechten war. Ich habe die Leute auf Demos getroffen, auf Konzerten. Aber ich habe denen auch gesagt, dass ich das nicht gut finde, was sie machen.“ Sie, das sind die Klischee-Skinheads, die mit ihr nichts anfangen konnten, die keine Frau neben sich haben wollten, die ständig widerspricht. Grund für ihren Ausstieg war das aber nicht. Der kam später. Mit dem Kuss. „Mein erster Gedanke, als wir uns geküsst haben, war echt: ‚Oh Gott, du küsst jetzt ’nen Kanak’.‘ “ Horst Haug knallt den Hörer auf die Gabel, kommt wieder an den Tisch, setzt sich, schlägt die kurzen Beine übereinander. Die Hose rutscht über die Socken. Sie erzählt, wie alles anfing.

Ihren ersten Freund hatte sie mit vierzehn. Einen Metaller. Als ihr Vater sie zusammen sieht, schlägt er zu. Er hat sie oft geschlagen. Dazu hat ihre Mutter nie etwas gesagt, hatte selber Angst. Dieses Mal aber geht sie dazwischen, nimmt die Tochter und geht. Für immer. „Das finde ich immer so witzig, wenn ich über meine Vergangenheit nachdenke: Mein Vater verschwindet aus meinem Leben, und der nächste Mann, der kommt, ist genauso wie mein Vater, nur achtzehn und eben Skinhead.“ Ende Januar 89 lernt sie ihn kennen. In der Fußgängerzone, „genauer dürfen wir es nicht beschreiben, sonst wird sie erkannt“, schiebt Kommissar Schilling dazwischen. Horst Haug nickt dazu. Der Freund saß auf einer Bank, Doc Martens an den Füßen, eine Dose Bier in der Hand, den Schädel kahlgeschoren. Ein Kumpel war dabei, den sie aus der Schule kannte. „Wie man sich eben kennenlernt mit fünfzehn.“ Im März oder April, sie weiß nicht mehr genau, wann es war, sind sie zusammen auf ihre erste DVU-Veranstaltung. Mit dem Bus. Sie verabredeten sich von einem Treffen auf das nächste. Jedes Wochenende waren sie unterwegs. In der Woche hockten sie auf der Bank in der Fußgängerzone. „Meine Mutter ist darauf oft angesprochen worden. Aber sie hatte keine Kontrolle über mich. Sie war einfach nur froh, wenn ich zur Schule gegangen bin und mal daheim war, um meine Schulsachen zu holen.“

Ihre Mutter brach in Tränen aus, als sie die Tochter zum ersten Mal mit abrasierten Haaren sah. Bei jedem Familientreffen gab es Diskussionen. „Ich bin irgendwann einfach immer weniger zu den Familienfeiern hin.“ DVU-Veranstaltungen, Konzerte, Fanzines, die neusten CDs: all das war wichtiger, die gemeinsamen Aktionen, schon dass man zusammen im Bus losfährt, das Zusammengehörigkeitsgefühl. Nach sechs Jahren trennt sie sich von dem Freund, den sie auf der Bank in der Fußgängerzone kennengelernt hatte, aber sie bleibt in der Szene, in dem großen Freundeskreis, den sie sich aufgebaut hat. Und behält ihre Position, ihre Stellung in diesem Freundeskreis. Kommissar Schilling hustet: „Was sie da genau gemacht hat, welche Position sie hatte, dürfen Sie nicht schreiben. Jeder würde sie erkennen.“

Mit zwanzig, einundzwanzig lässt sie die Haare wieder wachsen. Sie besucht weniger Konzerte, begegnet aber vielen Parteioberhäuptern, die sie mit ihren Ideen faszinierten. „Bis ich feststellte …“ Wieder klingelt das Telefon. Horst Haug nimmt ab: „Ja?“ Sie ringt nach Worten. „… ja, ich musste immer wieder feststellen, dass die im wahren Leben von irgendetwas reden …“ Haug in den Hörer: „Ich werde jetzt ständig gefragt …“ Sie ins Mikrofon: „… was sie selber nicht einhalten. Und das war dann immer so enttäuschend.“ Haug sagt: „Ich würde mich dann bei Ihnen melden, ja?“ Sie sagt, ein Mensch müsse seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden. Daran habe sie früher geglaubt und daran glaube sie auch heute noch. Welchen Ansprüchen sie selbst gerecht werden will, kann sie nicht genau definieren. Aber sie habe auf keinen Fall mehr Gebietsansprüche. Seit sie ihren Freund geküsst hat.

Sie kennt ihn vom Sport. Schilling hebt die Hand: Die Sportart ist tabu. Zu auffällig. Sie spielt also doch nicht Volleyball. Ihr Freund, den sie mittlerweile geheiratet hat, ist der Vereinschef: „Der ist so tolerant, dass er alle aufnimmt: Hooligans, Linke, Türken, Russlanddeutsche. Wir haben sogar von der NPD zwei Mitglieder bei uns im Verein, zwei Ältere. Die kommen immer mit der roten Fahne.“ Nach dem ersten Kuss war der Vereinschef zumindest ihr gegenüber nicht mehr ganz so tolerant. „Mein Mann ist ja so ein ganz straighter. Da gibt’s nur Schwarz oder Weiß, keine Zwischenwege.“ Was bedeutete, sie sollte ihr Leben ändern, sich für ihn entscheiden. Und zwar ganz. Es fiel ihr schwer. Sie war mit der rechten Szene nicht mehr so verbunden wie in jungen Jahren, aber sie hatte noch sehr viele rechte Freunde. Sie las rechte Bücher, dachte rechts. Auch wenn sie an ihren Freund dachte, der kein Deutscher ist.

Jedem Skin eine neue Liebe? Kommissar Schilling lacht. Die Szene ist sehr differenziert. „So verschieden, wie die Menschen sind, so verschieden sind ihre Biografien, ihre Taten.“ Das findet sie auch: „Ich sag immer so schön: Die rechte Szene ist ein Teil unserer Gesellschaft. Da sind die, die nach Afrika fahren, nur um mit Afrikanerinnen Sex zu haben. Die gibt’s da genauso wie die Gebildeten oder die, die auf kleine Kinder stehen. Es sind Schwule dabei und Lesben. Es ist ein ganz normaler Teil unserer Gesellschaft.“ Genau deshalb, erklärt Schilling, gebe es auch nicht eine bestimmte Vorgehensweise, nur Eckpunkte wie eben das Klinkenputzen.

Als Aussteiger gilt, wer keinen Szenekontakt mehr hat. Schilling erklärt: „Es muss objektive Kennzeichen geben. Kennzeichen, die zeigen, dass er Distanz gewonnen hat. Er darf kein Szene-Äußeres mehr haben, keine Szenemusik besitzen. Das prüfen wir.“ Eine andere Prüfung wäre Döner essen. Wird die Einladung zum Döner akzeptiert, ist das schon ein Signal. „Natürlich kann das alles Show sein, aber mit der richtigen Technik kann ich das durchschauen. Ich habe so ein Betreuungsverhältnis gehabt, mit einem, mit dem ich mich beim Kaffeetrinken immer prima über das Wetter unterhalten habe. Der hat sein Antiaggressionstraining gemacht und alles. Aber als ich mal fragte, was er denn jetzt so sportlich mache, erzählte er vom Fußball. Ob er in der Ersten spiele, wollte ich wissen. Nee, in der Zweiten. Ich fragte, ob er zu schwach für die Erste sei? Und er antwortete: Nee, da sind zu viele Ausländer. Da hatte ich den Schalter gefunden.“

Wenn jemand aussteigen will, muss er etwas dafür tun. Schilling und seine Kollegen vergeben Hausaufgaben. Zum Beispiel eine Stellungnahme zum Deutschtum oder der Völkerwanderung in Nordbaden. „Je nachdem, in was für einem Stadium er ist …“ Haugs Telefon klingelt schon wieder. „Hallo, ja?“ Schilling: „Wenn er im Knast sitzt, versuchen wir …“ Haug: „Sekunde … Moment.“ Schilling: „Versuchen wir grundsätzlich – ob er im Knast ist oder draußen –, ein Netzwerk aufzubauen. Die normalen Bezüge gehen oft verloren. Die versuchen wir wieder aufleben zu lassen. Im Knast versuchen wir, auch den Besuchskontakt kennenzulernen. Wir bieten Trainings an, Antiaggressionstrainings. Oder Entlass-Trainings, weil die Leute ja von heute auf morgen rausgeschmissen werden und plötzlich zurechtkommen müssen.“ Haug: „Alles klar … Ciao.“ Er knallt den Hörer auf. Hämmert in seine Computertastatur, verlässt den Raum. Schilling: „Also wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe. Wir suchen ihm auch die Telefonnummer vom Arbeitsamt raus, je nachdem, wie fit er ist, und vielleicht fahren wir auch mit ihm dahin. Aber da geht der allein rein. Er soll ja sein Leben meistern.“

Die Aussteigerin hat Abitur gemacht, ein Studium begonnen, eine Ausbildung abgeschlossen. Trotzdem wollte sie in das Programm: „Ich will ganz damit abschließen. Ich erwische mich immer noch dabei, dass ich aus meiner Jugend mit einem gewissen Stolz erzähle. Und das finde ich ungerecht. Meinem Mann gegenüber und den jetzigen Freunden. Ich möchte für mich selber sagen können, dass ich wirklich ein Aussteiger bin, dass ich nicht mehr rechts bin, aber ich erwisch mich trotzdem immer noch, wie ich oder Teile von mir irgendetwas Rechtes haben.“ Sie will wiedergutmachen, will erklären, wie Leute aus der rechten Szene denken, wie die Szene strukturiert ist, aufklären an Schulen und in den Medien.

Horst Haug ist plötzlich wieder im Raum: „Also wenn man die Leute interviewt hat, wird vieles klarer, verständlicher einfach, ohne das jetzt schönreden zu wollen, aber es ist einfach logischer. Ich find zwar, was sie gemacht haben, nicht gut, aber jetzt versteht man’s.“

GESINE KULCKE, 35, ist freie Autorin und lebt in Stuttgart