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Fluchthelfer vor Gericht

PRESSESKANDAL

Ginge es um Gerechtigkeit, stünden eher JournalistInnen und ModeratorInnen vorm Bremer Landgericht – und nicht der 42-jährige Bremerhavener Yüksel S. Der ist mit vier anderen angeklagt, 30 syrischen Kriegsflüchtlingen den Weg nach Deutschland ermöglicht zu haben. Gewerbsmäßig, vermutet die Staatsanwaltschaft: Bis zu 8.000 Euro pro Person sollen sie verlangt haben, heißt es in der am 3. Juni verlesenen Anklage.

Dass eine Dienstleistung das wert sein kann – so fand der Bundesgerichtshof 1977 eine Gebühr von 4.500 DM für Fluchthilfe völlig okay –, darüber haben die Ankläger lieber gar nicht erst nachgedacht. Mussten sie auch nicht: Schon bei der Festnahme des Verdächtigen am Flughafen Hannover hatte sich ja die Presse nicht als Organ der Kritik, sondern als Verstärker polizeilicher Mitteilungen verstanden. Begeistert tippten JournalistInnen von Schaumburg bis Kiel ab, dass 14 Wohnungen in Nordhorn, Hannover, Bremerhaven, Hildesheim und Bielefeld durchsucht wurden, 160 Beamte involviert waren, ja sogar die GSG 9 bei der Festnahme half. Eine Waffe wurde gefunden. Nordwestzeitung, Radio Bremen, Hannoversche Allgemeine, die meisten übernahmen bloß den „Schlag gegen Schleuser“-Stabreim der Staatsschützer. Doch am meisten Feuer fing man im Studio Bielefeld des WDR, wo man dichtete: „Schleuser zockt Syrer ab“.

Ob die Vorverurteilungen im Prozess eine Rolle spielen – ungewiss. In den Redaktionen sind sie bislang folgenlos geblieben, ja Radio Bremens einstiges Flaggschiff „buten un binnen“ bewies gerade zum Prozessauftakt, dass ihm der xenophobe Zungenschlag gut gelingt: Ansagerin Yvonne Ransbach lobte begeistert den Erfolg der Einsatzkräfte, sprach von einer „internationalen Schleuserbande“ – und stellte klar: Die Angeklagten hätten ja wohl „ordentlich abkassiert“. Dabei stand da schon fest, dass die 30 illegal Geretteten zum erweiterten Familienkreis des Beschuldigten gehören.  BES

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