: Therapie statt Langzeithaft
JUSTIZ Berlin und Brandenburg beschließen gemeinsame Sicherungsverwahrung. Konzept: Mehr therapeutische Betreuung statt Wegschluss. Steigende Zahl der Sicherungsverwahrten erwartet
Berlin und Brandenburg haben ein gemeinsames Konzept für die Sicherungsverwahrung entwickelt. Im Mittelpunkt steht dabei, die Sanktion zu vermeiden durch eine engmaschige und individuelle Betreuung der Straftäter. „Unser Ziel lautet: Reintegration in Freiheit, nicht eine möglichst lange Haftzeit“, sagte Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) bei einem gemeinsamen Auftritt mit Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke). Basis dafür müsse eine qualifizierte Diagnose durch spezialisierte Mitarbeiter zu Beginn der Haftzeit sein, erklärten die Minister.
Die Unterbringung der Betroffenen soll sich deutlich von der Haft unterscheiden. Erforderlich halten die Minister jedoch eine bauliche Anbindung an bestehende Gefängnisse mit vielfältigem Therapie- und Bildungsangebot. Bei der Unterbringung wollen die Länder kooperieren, Standortfragen seien aber noch nicht geklärt, hieß es.
Das von einer Expertengruppe seit Mai 2010 erarbeitete Konzept empfiehlt zudem, Freizeitangebote für Sicherheitsverwahrte auszuweiten. Auch Täter mit schlechter Perspektive sollten unter Sicherheitsvorkehrungen das Gefängnis verlassen dürfen. So werde die Motivation der Häftlinge gefördert und ihre „Lebenstüchtigkeit“ erhalten. Nicht mehr gefährliche Häftlinge könnten auch im offenen Vollzug untergebracht werden. Die Experten regen an, für ältere Häftlinge Personal mit Altenpflege-Erfahrung einzustellen.
Die Sicherungsverwahrung ist die härteste Sanktion, die das deutsche Strafrecht kennt. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 muss diese anders ausgestaltet werden. Den Ministerien zufolge sind derzeit in Berlin 42 Männer in Sicherungsverwahrung in der JVA Tegel. 54 weiteren Häftlingen drohe diese Sanktion nach Ablauf ihrer regulären Strafhaft. In Brandenburg befinden sich acht Strafgefangene in Sicherungsverwahrung: fünf in der Vollzugsanstalt Brandenburg/Havel, drei im Gefängnis Luckau-Duben. Bis zum Jahr 2020 könnte sich die Anzahl auf 20 erhöhen.
Die Vize-Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, Cornelia Seibeld, kritisierte, von der Aue und Schöneburg würden „das Rad noch einmal neu zu entdecken versuchen“. Bereits heute gebe es therapeutische Angebote für Sicherheitsverwahrte in der Strafhaft. DPA, TAZ