Für 15 Euro und eine Bratwurst

Zwei Jahre nach seinem letzten Profieinsatz pfeift der im Hoyzer-Skandal zu Unrecht verdächtigte Schiedsrichter Jürgen Jansen wieder Fußballspiele – aber nur noch in der Essener Kreisliga

Statt auf Schalke pfeift Jansen jetzt auf der Bezirkssportanlage Essen-Oststadt

AUS ESSENROLAND LEROI

Wenn das Gespräch auf „früher“ kommt, dann blockt Jürgen Jansen direkt ab. „Akzeptieren Sie bitte, dass ich darüber nicht mehr reden will. Ich habe damit abgeschlossen“, sagt der 46-jährige Fußball-Schiedsrichter mit gleichwohl entschlossenem als auch verbittertem Tonfall. Sogar Fernsehsender wollten ihn zuletzt in Talkshows holen. „Die sollen mich alle in Ruhe lassen“, schimpft der Referee, der Spiele in der Kreisliga A des Bezirks Essen Süd-Ost leitet. In der 7. Spielklasse, zumeist auf Asche und vor knapp 100 Zuschauern – die ihn aber nicht mehr behelligen, als jeden anderen Unparteiischen – fühlt sich Jansen wohl.

Heute vor zwei Jahren, am 11. Dezember 2004, pfiff er die letzte seiner insgesamt 142 Bundesliga-Partien. Jansen leitete das Spiel Mainz gegen Nürnberg vor 20.300 Zuschauern im ausverkauften Bruchweg-Stadion. Trotzdem war es sein Abschied von der großen Fußballbühne, weil er einen Monat später in Verbindung mit dem „Hoyzer-Skandal“ in die Schlagzeilen geriet und ihn der Deutsche Fußballbund (DFB) aus dem Verkehr zog. Zu Unrecht, wie sich viel später herausstellte.

Man mag verstehen, dass sich Jansen nicht mehr an die Vorkommnisse in jenem Winter, die er damals als „Hexenjagd“ beschrieb, erinnern will. Nachdem sich Schiedsrichter Robert Hoyzer geständig zeigte, Spielmanipulationen begangen zu haben und im Zuge weiterer Verdächtigungen auch den Namen des Kollegen fallen ließ, durchsuchten Ermittler der Staatsanwaltschaft im Morgengrauen des 1. Februar 2005 dessen Wohnung im Essener Stadtteil Frohnhausen. Jansen fühlte sich vom DFB alleine gelassen und klagte, dass „man zusehe, wie jemand geschlachtet wird.“

Denn in den Öffentlichkeit wurde längst über die Verstrickungen des Unparteiischen nicht nur diskutiert, sondern auch gerichtet. „Meine Kinder wurden angespuckt und konnten nicht mehr zur Schule gehen“, sagte Jansen auf einer Pressekonferenz, die er wenig später in Passau abhielt. Auf einer Videoleinland spielte er Szenen aus dem Spiel Kaiserslautern gegen Freiburg, in dem er der Manipulation verdächtigt wurde, vor, um seine Unschuld zu beweisen. Der DFB schloss ihn dennoch vorläufig vom Spielbetrieb in der Profiliga aus. „Wir glauben gar nichts mehr“, sagte DFB-Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell pauschal.

Im Zuge der Ermittlungen gegen Hoyzer konnten Jansen allerdings keine Verfehlungen nachgewiesen werden. Erst am 29. Juli 2005 stellten Staatsanwaltschaft und DFB-Sportgericht ihr Verfahren gegen Jansen ein. Der „Freispruch“ für den Essener, der nie vor einem Gericht angeklagt war, verkam zur Randnotiz, aber immerhin wollte ihn der DFB wieder in seine pfeifende Gilde aufnehmen. „Die Schiedsrichterei ist mein Leben“, betonte Jansen, der nach einer Oberschenkelzerrung aber den nötigen Fitnesstest, um Bundesligaspiele zu leiten, nicht bestand. Acht Monate ohne Leistungssport, in denen er auch die regelmäßigen Vergütungen von bis zu 3.500 Euro pro Bundesliga-Einsatz kompensieren musste, hatten am psychischen und physischen Zustand genagt. Ein zweiten Test lehnte er ab, am 14. März 2006 erklärte er das Ende seiner Schiedsrichter-Karriere.

Ganz loslassen will er aber nicht. Statt auf Schalke oder in der Münchener Allianz-Arena ist Jansen nun auf Essener Plätzen wie der Bezirkssportanlage Oststadt anzutreffen und leitet etwa das Kreisliga-Match Preußen Eiberg gegen Sportfreunde 07. Für diese Partien braucht er keinen Fitnesstest. „Mir geht‘s gut“ sagt er und lässt sich die Bratwurst schmecken, die ihm nach Abpfiff vom gastgebenden Verein spendiert wird. Zudem erhält er für jeden Einsatz 15,30 Euro Aufwandsentschädigung. „Mir geht es nicht ums Geld, sondern um den Spaß am Sport“, versichert Jansen, der als selbstständiger Vermögensberater seinen Lebensunterhalt verdient. Mit dem DFB sei er im Reinen, lässt der Referee wissen und freut sich, dass er auf ehrenamtlicher Ebene seine Erfahrungen als Coach für junge Unparteiische weiter geben soll. „Mehr gibt es nicht zu sagen“, meint Jansen und packt seine Pfeife wieder ein. Es ist immer noch dasselbe Instrument, auf das früher die ganze Bundesliga von Oliver Kahn bis Jürgen Klinsmann hörte.