piwik no script img

Archiv-Artikel

Integrative Stimme der Kuba-Kritiker

Gesundheitlich geht es mir sehr schlecht, aber geistig sehr gut“, sagte Héctor Palacios, nachdem er Mittwoch aus dem Gefängnis in Havanna entlassen wurde. Allein diesem schlechten Gesundheitszustand hat der 63-Jährige seine Entlassung zu verdanken. Die Haftstrafe sei quasi nur ausgesetzt, so Palacios. Das Procedere ist mittlerweile bekannt, denn ähnlich wie Palacios wurde auch Raúl Rivero im Dezember 2004 aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen. Später konnte der Journalist die Insel mit seiner Familie in Richtung Spanien verlassen. Die Ausreise ist für Palacios jedoch keine Option. Zunächst will sich der in der kubanischen Dissidentenszene hoch geachtete Soziologe von der dreieinhalbjährigen Haft kurieren, die seine Gesundheit zerrüttet hat.

Für seine Freilassung hatte Palacios Ehefrau Gisela Delgado in den vergangenen zwei Jahren national und international alle Hebel in Bewegung gesetzt. Zahlreiche Petitionen an europäische Regierungen hat sie geschrieben, weltweit Kontakte geknüpft und die kubanischen offiziellen Stellen immer wieder auf die schweren gesundheitlichen Probleme ihres Mannes aufmerksam gemacht. Der war im März 2003 gemeinsam mit 74 weiteren Oppositionellen, die in Kuba als Söldner im Dienste der USA gelten, zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt worden.

Palacios stammt aus der Sierra Escambray, einer Bergkette in der Provinz Villa Clara. Der kubanischen Revolution verdankt der Bauernsohn, Jahrgang 1943, seine wissenschaftliche Ausbildung, für die er bald nach Havanna übersiedelte und an der Universität arbeitete. Zum Bruch mit dem offiziellen Kuba kam es, als Fidel Castro 1980 grünes Licht für die Ausreise von rund 125.000 Kubanern nach Florida gab. Für Palacios war die Verunglimpfung der Ausreisenden als „Würmer, Lumpen und Verräter“ ein Wendepunkt. 1989 gründete er seine erste Partei: die radikale und demokratische Bewegung Freies Kuba; vier Jahre später folgte die Partei der demokratischen Solidarität. Seine politischen Aktivitäten und die Veröffentlichung zahlreicher Artikel über die kubanische Gesellschaftsentwicklung haben ihn vor allem international bekannt gemacht.

In Kuba bemühte sich Palacios, der Ende der 90er-Jahre sein unabhängiges Sozialwissenschaftliches Institut gründete, die kleine und zerstrittene Opposition auf der Insel zu einen. Mit „Todos Unidos“ gründete er Ende der 90er-Jahre ein Sammelbecken, dem er bis zu seiner Inhaftierung im März 2003 auch vorstand. Hoffnungen auf weitere Freilassungen oder gar einen politischen Wandel auf der Insel hat Palacios nicht: „Ich sehe keine Veränderungen.“ KNUT HENKEL