„Viel Lärm und Symbolik“

PROGNOSE Die Republikaner werden Barack Obamas Politik nicht zurückdrehen können, meint der Politologe und intime Kenner der US-Politik, Thomas Mann

■ Der Politologe und Autor Thomas Mann arbeitet für den Washingtoner Thinktank Brookings Institute. Der vielzitierte „König der Experten“ analysiert regelmäßig Regierungsfragen für den TV-Sender CNN oder die Washington Post. Er hat über Jahre im Kongress gearbeitet.

taz: Herr Mann, im 112. US-Kongress haben die Republikaner nach vier Jahren wieder die Mehrheit. Wie wird sich das auf die Politik von Präsident Barack Obama auswirken?

Thomas Mann: Es ist unwahrscheinlich, dass er mit diesem Kongress eine aktive legislative Agenda verfolgt. Er wird ihn vielmehr als Hintergrund betrachten, um darauf eine konkurrierende Strategie für wirtschaftlichen Wachstum und finanzwirtschaftliche Stabilisierung auszubreiten. Er (Obama) wird dort mehr defensiv als offensiv agieren, um die Errungenschaften seiner ersten beiden Amtsjahre zu sichern. Und er wird alle Möglichkeiten der Exekutive ausschöpfen, um ohne Ermächtigung des Kongresses zu handeln, wo immer er kann.

Bei Bill Clinton war es ähnlich: Nach den verlustreichen Zwischenwahlen hat er sich den Konservativen angenähert, um handlungsfähig zu bleiben. Erwarten Sie das jetzt auch von Präsident Obama?

Der vielbeschworene Rechtsruck Clintons ist ein großer Mythos, den sein Berater Dick Morris verbreitet hat. Dass sich Clinton nach der Wahl 1994 politisch erholt hat, fußte auf seiner erfolgreichen Haushalts-Konfrontation mit den Republikanern und darauf, dass sich die Wirtschaft erholt hat. Wie es auch Obama nicht tun wird, hat er niemals eine konservative Agenda verfolgt. Obama wird sich ideologisch so wenig neu positionieren, wie Clinton es getan hat. Beide waren und sind pragmatische Progressive.

Unter Clinton gab es keine Tea Party. Könnte die Obama-Partei überhaupt so weit nach rechts rücken, dass es möglich wird, Kompromisse zu erzielen?

Kein Kompromiss von Obama, der nicht einer kompletten Kapitulation gleichkäme, würde die Republikaner zu ernsthaften Verhandlungen bewegen.

Die Republikaner werden auch den Ausschüssen des Parlaments vorsitzen. Sie haben bereits große Vorhaben angekündigt: Kippen der Gesundheitsreform, Auflösung des Panels für globale Erwärmung, eine Untersuchung der „Radikalisierung“ von Muslimen in den USA und vieles mehr.

Viel Lärm und Symbolik. Mit einem demokratisch dominierten Senat und der Möglichkeit eines präsidialen Vetos sind sie gar nicht in der Lage, die Politik zu verändern.

Schaffen die Republikaner es, die Gesundheitsreform wieder zum Wahlkampfthema zu machen?

Abwarten. Ich denke, dass sie es nicht schaffen, die Reform zu blockieren. Und mit der Zeit wird sich die öffentliche Einstellung über das Gesetz verbessern.

Das neue Parlament ist nicht nur für die Demokraten ein Dilemma, sondern vor allem auch für viele moderate Republikaner.

Die Republikaner sind eine ideologisch extreme Partei geworden, in der die moderaten Kräfte den Kongress verlassen oder ihren Frieden mit der konservativen Agenda gemacht haben. Mit der Zeit werden die Spannungen immer sichtbarer werden, denn die Inhalte der Partei greifen nicht mit den Problemen ineinander, die das Land bewegen.

INTERVIEW: ANTJE PASSENHEIM