: Kindergärten bringen gute Rendite
3,6 Milliarden würde die Umsonst-Kita für alle kosten, hat das Institut der deutschen Wirtschaft ausgerechnet. Eine lohnende Investition, meinen die Wissenschaftler. Denn Kitas bilden. Langfristig müsste der Staat weniger Schulabbrecher stützen
VON COSIMA SCHMITT
Kindergarten macht schlau. Wer in einer solchen Stätte spielen, toben, reifen durfte, profitiert ein Schulleben lang. Im Lesen und Rechnen ist er den anderen um mehr als ein Jahr voraus. Selbst Bio und Physik fallen ihm leichter. „Jeden Euro, den die öffentliche Hand für Kindergärten ausgibt, spart sie auf lange Sicht an anderer Stelle ein“, sagt Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, der gestern in Berlin die Ergebnisse einer neuen Studie vorstellte.
Der Vorsprung der außer Haus Betreuten ist demnach so immens, dass er nicht allein durch den Umstand erklärbar ist, dass die Kinder, die Hort oder Kita besuchen, überdurchschnittlich oft aus gebildetem Elternhaus stammen.
Mit Blick auf diese Daten plädieren die Forscher daher für ein Umdenken. Ausgaben für Kindergärten sollten nicht als Belastung gelten – sondern als Investition, die sich auszahlt.
Die IW-Forscher, die ihre Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft verfassten und sich unter anderem auf Daten der Pisa-Studie 2003 stützen, verstehen die Ergebnisse auch als Beitrag zur aktuellen Debatte um kostenfreie Kitas. Ihr Rechenexempel: Wenn tatsächlich alle Kinder ab dem dritten Geburtstag halbtags den Kindergarten besuchen und zudem die ErzieherInnen auf Hochschulniveau ausgebildet werden, kostet das 1 Milliarde Euro zusätzlich. Weitere 2,6 Milliarden Euro wären vonnöten, wenn dieser Dienst am Kind – wie etwa in der SPD diskutiert – gratis angeboten würde. Dieses Geld ist nicht verloren, sondern fließt langfristig gesehen an den Staat zurück, sagen die Forscher.
Denn derzeit sind es gerade die Kinder, die den Kindergarten am nötigsten hätten, die bis zur Einschulung oft nur in der Familie betreut werden. So besuchen 4 von 10 Kindern aus Familien, die zu Hause kein Deutsch sprechen, nie einen Kindergarten. Insgesamt gesehen bleibt ihm 1 bis 2 von 10 Kindern fern.
So aber gehen Potenziale verloren, meinen die Forscher. Wenn jedes Kind außer Haus betreut würde und somit gut gerüstet in die Schule startete, ließen sich auf Dauer etwa 1 Milliarde Euro pro Jahr einsparen. Denn dann sinkt die Zahl der Teenager, die keinen Abschluss schaffen oder so schlechte Noten haben, dass kein Arbeitgeber sie nimmt – und die durch teure berufsvorbereitende Maßnahmen geschleust werden müssen. Eine schwer zu beziffernde Geldsumme flösse dem Staat außerdem zu, weil dank besserer Betreuung auch mehr Mütter berufstätig wären und somit die Steuereinnahmen stiegen.
Weil sich all dies aber frühestens in zehn Jahren rechnet, schlagen die Forscher kurzfristig einen anderen Weg der Umverteilung vor. Weil es immer weniger Kinder gibt, sinken auch die Ausgaben für den Schulunterricht. Dieses Geld sollte in frühkindliche Bildung fließen, fordert Studienautor Axel Plünnecke: „Wir müssen das Potenzial der bildungsfernen Schichten stärker erschließen. Das ist nicht nur sozial. Es hilft auch der Wirtschaft, die Fachkräfte braucht.“