: Eine irische Weihnachtsfeier
Der Bischof von Southwark hat einen über den Durst getrunken und weiß von nichts
DUBLIN taz ■ Warum ist er bloß zur Weihnachtsfeier in die irische Botschaft in London gegangen? Tom Butler, der Bischof von Southwark, hätte wissen müssen, dass an solchen Festlichkeiten schon so manche Karriere oder Ehe gescheitert ist. Und aus irischen Örtlichkeiten ist noch keiner nüchtern herausgekommen, erst recht nicht zu Weihnachten.
Eine ganze Reihe von Abgeordneten sind in den vergangenen Jahren aus der Botschaft Irlands auf den Knien herausgekrochen. Der Bischof offenbar auch. Der 66-Jährige, einer der höchsten Würdenträger der Church of England, torkelte nach der Feier vorige Woche nach Hause, als ihn eine unendliche Müdigkeit überfiel – im Englischen nennt man diesen Zustand euphemistisch „tired and emotional“. So brach er kurzerhand in einen Mercedes ein, der ausgerechnet in der Crucifix Lane vor der „Suchard-Bar“ neben der Kathedrale geparkt war, legte sich auf den Rücksitz und warf den Teddybären des einjährigen Sohnes der Autobesitzer aus dem Fenster. Leider war der Wagen durch eine Alarmanlage gesichert.
„Mein Partner und sein Kumpel rannten auf die Straße, um zu sehen, was mit unserem Auto los war“, sagte Nicola Sumpter. „Sie waren ziemlich überrascht, als sie einen grauhaarigen Mann in einer Soutane auf dem Rücksitz sahen. Er behauptete, dass er der Bischof von Southwark sei, und weigerte sich, auszusteigen. So zogen sie ihn aus dem Auto, und er legte sich auf die Straße.“ Bischof Butler lehnte jede ärztliche Hilfe ab. Schließlich wankte er in Richtung Kathedrale. Am nächsten Tag meldete er bei der Polizei den Verlust seiner Tasche, seiner Brille und seines Mobiltelefons. Die lagen im Mercedes.
„Er erinnert sich kaum an den Abend“, sagte sein Sprecher. „Er hat sich den Kopf gestoßen, aber er ist guter Dinge. Er möchte die Sache gern herunterspielen.“ Dafür wählte er aber den falschen Weg. Bei der Sonntagsmesse erklärte er der Gemeinde, dass er seine Bischofsmütze nicht tragen könne, weil sie nicht über die Beule passe, denn er sei „offenbar überfallen“ worden.
„Das Problem ist, dass ich keine Ahnung habe, was passiert ist“, sagte der Bischof. „Ich erinnere mich an keinen Mercedes. Ich dachte, ich bin mit dem Bus nach Hause gefahren. Mein Arzt sagte mir, dass meine Verletzungen auf einen Schlag auf den Kopf hindeuten. Deshalb nahm ich an, dass ich überfallen worden bin. Ich hoffe, dass die Polizei mehr Klarheit in die Sache bringen kann.“ Die hat den Mercedes inzwischen forensisch untersucht. An das Fest selbst erinnert sich Butler noch gut. „Es war eine dieser vorweihnachtlichen Feiern mit Getränken und Knabbereien“, sagte er. „Ich nahm einen Drink.“ Einen Drink? Es muss ein ziemlich großes Glas gewesen sein. Oder haben sie ihm Poteen eingeflößt, den schwarzgebrannten Whiskey, der bis zu 90 Prozent haben kann?
Alan Craig von der Christlichen Allianz in Ost-London sagte: „Das ist überhaupt nicht komisch. Es ist traurig für ihn und für die Kirche. Natürlich kann man ihm vergeben, aber er kann nicht als Bischof weitermachen. Er sollte ein Vorbild sein, aber wer besoffen in der Gosse liegt, kann kein gutes Beispiel abgeben.“
Der Bischof von Canterbury ist der gleichen Meinung. „Ich glaube nicht, dass er die Sache unbeschadet überstehen wird. Tom hat stets sehr hart gegen betrunkene Pfarrer durchgegriffen. Ich kenne mindestens einen, der wegen Trunkenheit zurücktreten musste.“
Die anderen Gäste des irischen Gelages – darunter die Geheimdienstchefin Eliza Manningham-Butler, Nordirlands Polizeichef Hugh Orde und Friedensnobelpreisträger David Trimble – schafften es nach Hause, ohne in fremde Autos einzubrechen. RALF SOTSCHECK