: Gute-Laune-Kurse fürs Lehrerzimmer
Ein besseres Arbeitsklima und Trainingsprogramme für Rektoren könnten die deutschen Lehrer vor dem Burn-out schützen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Uni Potsdam. Die Gewerkschaft fordert deshalb bundesweit Präventionskurse
VON WOLF SCHMIDT
Überlastung, Resignation, Burn-out-Gefahr: Fast zwei Drittel der Lehrer gelten aus beruflichen Gründen als gesundheitsgefährdet. Ihnen könnte geholfen werden, glaubt man einer Studie der Uni Potsdam. Voraussetzung: Der Arbeitsalltag der Lehrer müsste umgekrempelt – und das miese Klima in den Kollegien verbessert werden.
Denn als belastend hatten sich in der Studie nicht nur große Klassen, Problemschüler und hohe Stundenzahlen herausgestellt, sondern vor allem der Stress im Lehrerzimmer. Gut gehe es den Lehrern dort, wo „die Beziehungen im Kollegium durch Offenheit, Interesse füreinander und gegenseitige Unterstützung gekennzeichnet sind“, analysiert Psychologe Uwe Schaarschmidt, Leiter der gestern vorgelegten Studie, an der bundesweit fast 20.000 Lehrer beteiligt waren.
Die Wissenschaftler haben deshalb ein Programm zur Teambildung erarbeitet, das in den Schulen eingesetzt werden kann – und angeblich auch funktioniert. In einem halbjährigen Prozess erarbeiten die Lehrer gemeinsam mit einem Berater Verbesserungen: Wie können Entscheidungen transparenter gemacht werden? Können wir feste Zeiten für den Austausch untereinander einplanen?
Gleichzeitig haben die Wissenschaftler einen Fragebogen entwickelt, mit dem die Lehrer überprüfen können, ob sie sich mehr abrackern als Kollegen an anderen Schulen. Den „Arbeitsbewertungs-Check“ können die Lehrer ab Januar auf den Internetseiten der Lehrergewerkschaften herunterladen.
Eine weitere Erkenntnis der Wissenschaftler: Hinter dem schlechten Schulklima steckt oft auch eine schlechte Schulleitung. Ein unterstützender Führungsstil des Rektorats könne die Belastung für die Lehrer im Arbeitsalltag mindern, sagt Psychologe Schaarschmidt. Deswegen haben die Wissenschaftler auch ein Training für Schulleiter ausgearbeitet. Dort sollen sie in Teamentwicklung und Personalführung geschult werden.
Zudem laufen im Rahmen eines Brandenburger Modellprojekts erste Kurse, die den Lehrern zu mehr Widerstandsfähigkeit verhelfen sollen.
Wie solche Programme flächendeckend umgesetzt und finanziert werden könnten, darüber verrieten die Wissenschaftler gestern nichts. „Es ist nicht meine Aufgabe, das durchzurechnen“, sagte Psychologe Schaarschmidt der taz. „Aber wenn man hier investiert, spart man die Folgekosten, wenn überlastete Lehrer vorzeitig aus ihrem Beruf aussteigen.“ Aus Sicht des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), der die Studie mitfinanziert hatte, sind jetzt die Kultusminister der Länder am Zug. „In unserem Beruf wird mit der Selbstausbeutung geradezu gerechnet“, kritisierte der VBE-Vorsitzende Ludwig Eckinger gestern. Die Gesundheitsförderung unter Lehrern sei lange vernachlässigt worden. „Wir erwarten, dass mit dem Präventionspaket gearbeitet wird“, sagte Eckinger.
Eines wurde bei der Präsentation der Studie auch deutlich: Hilfsprogramme in den einzelnen Schulen alleine werden die Überlastung der Lehrer nicht beseitigen können. Auch Rahmenbedingungen müssten sich ändern, fordert Psychologe Schaarschmidt. „Wir brauchen eine andere Arbeitszeitgestaltung mit längeren Phasen der Entspannung zwischen den Stunden.“
Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen hier auseinander. Denn die Zukunft dürfte nach Ansicht Schaarschmidts so aussehen: „Durch den Lehrermangel in den kommenden Jahren wird der Druck eher noch zunehmen. Viele Lehrer werden von Schule zu Schule springen müssen“, sagte er der taz.
Bereits heute fehlen nach Angaben des Deutschen Philologenverbands 16.000 Lehrerinnen und Lehrer.
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