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Archiv-Artikel

„Temperaturmäßig schon ein extremes Wetterereignis“

URSACHEN Der Meteorologe Hans-Werner Voß über Turbulenzen und Ladungstrennungen

Hans-Werner Voß

■ 67, ist Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Potsdam. Der DWD ist der nationale meteorologische Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Seine Hauptaufgabe ist es, vor wetterbedingten Gefahren zu warnen sowie Veränderungen des Klimas zu bewerten.

taz: Herr Voß, wie kam es zu den schweren Gewittern?

Hans-Werner Voß: Grundsätzlich bilden sich Gewitter, wenn in der Atmosphäre große Feuchtigkeit und möglichst auch große Wärme vorhanden sind. Bei entsprechender Schichtung der Atmosphäre steigt die Luft bis in große Höhen, wobei Wolken- und Niederschlagspartikel gefrieren und in der Wolke durch heftige Turbulenzen durchwirbelt werden, was zur Ladungstrennung führt. Die daraus resultierende Spannung entlädt sich in Form eines oder mehrerer Blitze, innerhalb der Wolke oder auch von der Wolke zur Erde. Je mehr Feuchtigkeit und Wärme vorhanden sind, und das war am Wochenende der Fall, umso stärker fallen die Gewitter aus und können sich zu Unwettern auswachsen.

Spielte die Hitze eine Rolle?

Ja, am Wochenende hatten wir Rekordwerte von bis zu 38 Grad in Rheinau-Memprechtshofen. Das war temperaturmäßig schon ein extremes Wettereignis, das zusammen mit der Gewitterneigung und hoher Feuchtigkeit die Gewittertürme entstehen ließ.

Waren die Gewitter in den Städten heftiger als über dem Land?

Das kann ich so nicht bestätigen, doch ist das Stadtklima etwas anders als im Umland. Dort hält sich die Wärme wegen der Aufheizung länger und kann so durchaus gewitterfördernd sein. Möglicherweise hat es auch etwas mit der Wahrnehmung der Menschen zu tun, da Unwetterschäden in Ballungsräumen meist größere Auswirkungen haben als in ländlichen Gegenden.

Wurde zuvor genug gewarnt?

Hier in Potsdam wurden entsprechende Unwetterwarnungen zeitgerecht ausgesprochen, auch wenn Unwetter nicht in allen Gebieten aufgetreten sind. Bei solch starken Wetterereignissen sollten die Menschen aber auch verantwortlich handeln und sich beispielsweise nicht unter einem Baum aufhalten.

Besteht eine Verbindung zwischen diesen Unwettern und dem Klimawandel?

Das geht eigentlich ein bisschen zu weit. Es handelt sich bei den Unwetterlagen um eine kurze Wettersituation. Das bestätigt als Einzelereignis die Klimaerwärmung nicht. Dazu bedarf es der Betrachtung eines längeren Zeitraumes.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Temperaturen werden wieder fallen und angenehmer werden. Längerfristige Vorhersagen kann und will ich nicht machen. Die derzeitigen Möglichkeiten sind dazu noch nicht sicher genug. Man gelangt sonst leicht in den Bereich der Spekulation. INTERVIEW: LAURA FLIERL