Charta der Einfallslosigkeit

Die Industrie will die Chancengleichheit von Migranten fördern – ohne konkrete Pläne

BERLIN taz ■ Eine große Inszenierung verlangt nach großen Worten. Von einem „historischen Moment“ sprach die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU), als gestern die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet wurde. Pünktlich zu Beginn des Jahres der Chancengleichheit verabschiedeten Vertreter der Deutschen Bank, der Telekom, des Mineralölkonzerns BP und von DaimlerChrysler eine Vereinbarung, welche die Chancengleichheit von Migranten unterstützen soll.

Immerhin leben etwa 15 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund in Deutschland, jedes dritte Kind unter sechs Jahren kommt aus einer Einwandererfamilie. Vorbild für die Initiative ist Frankreich, wo schon 2005 eine „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet wurde. Bis heute verpflichteten sich 2.000 Firmen, ethnische Diskriminierung zu bekämpfen.

So anonymisiert der Versicherungskonzern Axa in Frankreich alle online eingehenden Bewerbungen, um Diskriminierungen zu verhindern. Allein anhand der Zeugnisse und beruflichen Erfahrungen wird nun entschieden, ob die Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

Solch konkrete Pläne gibt es in Deutschland bisher nicht. Man wollte wohl dennoch die Charta noch medienwirksam unterschreiben, bevor das Jahr endet. Folgerichtig bezeichnete Joachim Horras die Vereinbarung als einen „Meilenstein“. Der Personalleiter der Deutschen Bank freut sich vor allem über den „wirtschaftlichen Nutzen“, welche Menschen aus aller Welt seinem Unternehmen bringen können.

Neben den Migranten wurde aber plötzlich auch eine andere Gruppe in die Diskussion mit einbezogen, welche eigentlich nicht Thema der Charta ist: die Frauen.

Auch diese müssten einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, sagten sich die Firmenvertreter. Horras bemängelte explizit die geringe Zahl weiblicher Mitarbeiterinnen an der Börse, relativierte aber anschließend, dass es auch ein „sehr rüdes Geschäft“ sei. Da sei es „nicht erstaunlich, dass sich Frauen nicht in solch einer Umgebung aufhalten“, so Horras. Das liege nun einmal in der Natur der Sache. CIGDEM AKYOL