: Sparschwein Nahverkehr
Niedersachsens öffentliche Verkehrsmittel müssen in den nächsten Jahren mit sinkenden Zuschüssen auskommen, weil die Landesregierung das Geld anderswo ausgibt. Ein neues „Bündnis gegen Kürzungen bei Bus und Bahn“ kämpft dagegen an
von Gernot Knödler
Das öffentliche Verkehrsnetz Niedersachsens wird in den nächsten Jahren ausgedünnt statt ausgebaut werden. Das kritisiert ein neu gegründetes Bündnis „Keine Kürzungen bei Bahn und Bus“ (siehe Kasten). Im Gegensatz zu Bundesländern wie Schleswig-Holstein gleiche die niedersächsische CDU-FDP-Landesregierung die Kürzungen bei der Bundesförderung für den Nahverkehr nicht mit eigenem Geld aus. Sie baue Straßen, statt in Busse und Bahnen zu investieren. „Man muss den öffentlichen Personennahverkehr als Option für die Zukunft wollen“, sagt Wolfgang Konukiewitz vom Nahverkehrsbündnis Niedersachsen. „Das ist in Niedersachsen in Frage gestellt.“
Die Länder hatten im Sommer zugestimmt, dass ihnen der Bund künftig rund zwölf Prozent weniger für den öffentlichen Nahverkehr überweist. Diese so genannten Regionalisierungsmittel waren im Zuge der Bahnreform eingeführt worden. Mit dem Geld und gegebenenfalls einer Aufstockung aus den Landeshaushalten sollten sie Verkehrsleistungen einkaufen. Die Länder entscheiden seither, welche regionalen Strecken bedient werden sollen. Bus- und Bahnunternehmen wetteifern darum, wer den Liniendienst übernehmen darf.
Die Schätzungen, wie viel Geld durch die Einigung dem niedersächsischen Nahverkehr verloren gehen wird, variieren in der Summe von 2006 bis 2010 zwischen 242 und 283 Millionen Euro. In derselben Bundesratssitzung ließen sich die Länder aber auch einen Anteil aus der Mehrwertsteuererhöhung zuschanzen. Niedersachsen allein nimmt damit jährlich 600 Millionen Euro mehr ein. Zumindest mit einem Teil dieser Summe sollten Kürzungen der Bundesförderung ausgeglichen werden, findet das Bündnis.
Die Kritiker ärgert besonders, dass die Landesregierung den Schülerverkehr aus dem Regionalisierungstopf finanziert. Dafür sei dieses Geld nicht gedacht gewesen. „Das war für den Bund immer ein Argument, um seine Kürzungswünsche zu begründen“, sagt der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Enno Hagenah. Weil die Landesregierung die Trennung der verschiedenen Schulformen auf Klasse fünf vorgezogen habe, müssten die Kinder früher weiter fahren. Die Landesregierung bezahle das aus den Regionalisierungsmitteln. 2006 habe sie knapp 100 Millionen Euro umgeleitet.
„Die Zweckbestimmung schließt Ausgleichszahlungen für den Schülerverkehr nicht aus“, kontert Andreas Beuge, der Sprecher des niedersächsischen Verkehrsministeriums. Mit der Verbilligung der Schülerfahrkarten leiste die Landesregierung einen gesellschaftspolitischen Beitrag.
Beuge bestätigt, dass die Landesregierung bei der Investitionsförderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz den Schwerpunkt verschoben hat. Das Gesetz gewährt Zuschüsse, mit denen die Gemeinden Straßen, Busspuren und Straßenbahnen bauen können. Statt wie bisher in den Schienenverkehr sollen künftig 60 Prozent des Geldes in den Straßenverkehr fließen – eine Umkehrung der Verhältnisse. „Der Bedarf liegt aus unserer Sicht eindeutig bei der Straße“, sagt Beuge. Trotzdem sei es nicht wahr, dass die Landesregierung nicht genug für den Nahverkehr tue.
„Ich bedauere, dass die Haushaltskürzungen so überraschend und auch rückwirkend kommen“, sagt Wolf Gorka, der Geschäftsführer der Niedersächsischen Landesnahverkehrsgesellschaft. Die LNVG ist neben dem Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) und der Region Hannover der größte Besteller von Nahverkehrsleistungen im Land. Zumindest für den Bereich der LNVG seien die Kürzungen im neuen Fahrplan mit 0,9 Prozent der Zugkilometer „Peanuts“, sagt Gorka.
In Zugkilometern wird die Strecke gemessen, die alle Züge zusammen binnen einer Frist – in diesem Fall dem Fahrplanjahr – zurücklegen. Er habe nur Verbindungen gestrichen, die kaum in Anspruch genommen wurden und die daher sehr teuer gewesen seien, versichert Gorka. „Es wäre günstiger, wenn wir jedem Fahrgast einen Golf schenken würden“, scherzt er.
Der LNVG könne es sich leisten, sein Angebot fast unverändert aufrechtzuerhalten. Er habe investiert und auf diese Weise zusätzliche Fahrgäste gewonnen. Überdies habe er bereits 40 Prozent seiner Strecken ausgeschrieben und durch den Wettbewerb gespart. „Wir fahren mehr Verkehre für weniger Geld“, sagt Gorka. Das reiche fürs erste, um den größten Teil der Kürzungen beim Fördergeld zu kompensieren. „Irgendwann müssen wir aber auch an den Fahrplan ran“, kündigt er an.
Beim ZGB ist das schon mit dem neuen Fahrplan der Fall. Neun Prozent weniger Zugkilometer bietet der Zweckverband an. Gespart wird bei den Pendler-Zügen im Raum Braunschweig und den Touristik-Strecken im Harz. „Das ist das falsche Signal“, findet Konukiewitz vom Nahverkehrsbündnis.